Kein Schulfriede
Tobias Riegel zu den Berliner Bildungsprotesten
Die bundesweiten Bildungsproteste sollten in Berlin eigentlich ihren Höhepunkt erfahren. Dass dieser nicht so spektakulär ausfiel wie erwartet, liegt an den unterschiedlichen Motivationen der Teilnehmer, vor allem aber an der spezifischen Situation in der Hauptstadt. An keinem Ort der Republik wurde in den letzten Jahren von den politisch Verantwortlichen fieberhafter daran gearbeitet, die drängendste Forderung des Streikbündnisses zu erfüllen, die da heißt: »Weg mit dem mehrgliedrigen Schulsystem!«
Diese beherzte Umstellung eines ganzen Schulsystems bot natürlich durch die notwendigerweise verursachte Unruhe im täglichen Schulbetrieb jede Menge Steilvorlagen - für die, die ihr Gymnasium bedroht sahen, und die, die Rot-Rot einfach nur in die Parade fahren wollten. Das führte unter anderem dazu, dass sich die konservativsten Redakteure plötzlich als Schüler-Anwälte profilieren konnten, jeder Protest gegen die roten Schulreformen einen enormen Medienauftrieb erfuhr.
Die Aufwiegelung ging so weit, dass selbst Anhänger der Reformen einen (nun leider beschlossenen) »Schulfrieden« herbeisehnten - also das Ende der natürlich noch immer notwendigen Reformen.
Von einigen, die gestern auf der Straße waren, hätte man sich in diesem Kampf mehr Solidarität erhofft. Doch sie waren eben auch Nutznießer jener konservativen Hysterisierung. So war es etwa für die Lehrergewerkschaft GEW verführerisch, wöchentlich gegen den Senat und für ihr Berliner Klientel zu poltern - wann fanden gewerkschaftliche Forderungen so schnell den Weg in die Springerpresse, wie in den letzten Jahren?
Nach dem Regierungswechsel besteht nun aber Hoffnung, dass die Gewerkschaft, aber auch der Landeselternausschuss, sich vom reinen Klientelismus lösen und sich wieder auf das Gemeinwohl konzentrieren. Mit der so erworbenen Glaubwürdigkeit werden sie auch wieder mehr Menschen auf die Straße bringen.
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