Sparen und streichen
Polens Ministerpräsident gibt heute im Sejm seine Regierungserklärung ab
»Es ist Zeit, den Riemen enger zu schnallen«, schrieb dieser Tage die Zeitung »Polityka« auf ihrer Titelseite - ganz im Sinne von Ministerpräsident Donald Tusk, der heute im Sejm sein Regierungsprogramm für die nächsten vier Jahre vorstellen wird. Wie es heißt, werde der wiedergewählte Premier dabei zweigleisig fahren. Fürs Ausland, das nach den bitteren Krisenerfahrungen mit Griechenland und Italien mit Argusaugen jede Schwachstelle im kontinentalen Wirtschaftsgefüge ausfindig zu machen versucht, wird es heißen, dass Polen hart sparen und heftig streichen will, um bisher vermiedene Reformen durchzuführen. Den Polen wird er eine gerechte Verteilung der notwendigen Belastungen versprechen und zwar mit seinem Lieblingsspruch »Alles für die Menschen«.
Die Gründe für die geradezu unterwürfigen Beteuerungen gegenüber den ausländischen Märkten und Finanzinstituten liegen auf der Hand. Von verschiedenen Seiten gab es Signale, die polnische Ratingstufe A2 sei bedroht, falls die Reformen im Sozial- und Steuersystem weiter ausbleiben. Am Dienstag dann wurde das polnische Bankensystem wegen seiner »schlechten Kredite« von Moody's herabgestuft - was Marek Belka, der Präsident der Polnischen Nationalbank (NBP), als »seltsam und unverständlich« bezeichnete.
In den vergangenen Wochen wurde in den Medien kräftig über die Wirtschaftsentwicklung spekuliert. Hieß es vor den Wahlen noch, Polens Bruttoinlandsprodukt werde 2012 um vier Prozent wachsen, sieht Finanzminister Jacek Rostowski angesichts der Lage in der Eurozone einen Zuwachs von 3,2 Prozent schon als optimistisch, 2,5 Prozent als vorsichtig real an. Er selbst hält einen einprozentigen Rückgang für möglich. Um die Staatsschulden zu senken, sollen u.a. Steuern erhöht und Freibeträge für Familien gestrichen werden. Wobei man selbstverständlich die »durchschnittliche soziale Sensibilität der Bürger insgesamt«, wie es auf »Neupolnisch« so schön heißt, im Auge behalten müsse. Während der Premier heute ganz ehrlich und verständlich reden will, haben die Oppositionsparteien »Recht und Gerechtigkeit« (PiS) und »Polska Solidarna« schon angekündigt, Donald Tusk in der »Luft zerreißen« zu wollen.
Nur acht der 19 Kabinettsmitglieder, die er am Donnerstag vorstellte, gehörten bereits der vorherigen Regierung an, darunter sein Vizepremier und Koalitionspartner Waldemar Pawlak von der Bauernpartei PSL, der das Wirtschaftsressort übernimmt, und Außenminister Radoslaw Sikorski.
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