Terrorzelle wächst zur Gruppe
Weitere Verdächtige in Zusammenhang mit Zwickauer Nazitrio
Es kommt ein wenig Licht ins Dunkel. Die Bundesanwaltschaft (BAW) gab am Freitag bekannt, dass gegen zwei weitere Terrorverdächtige ermittelt wird. Zwei Thüringer Neonazis sollen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe unterstützt haben, die der Terrorgruppe »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) angehörten und über Jahre unentdeckt in Zwickau lebten. Auf das Konto der braunen Terrorgruppe gehen zehn Morde, etliche Banküberfälle und mehrere Sprengstoffanschläge. »Bild« schrieb unter Berufung auf einen Naziaussteiger, der »NSU« habe bis zu elf Mitglieder gehabt.
Weitere Spuren führen ins sächsische Johanngeorgenstadt. Dort gab es seit den 90er Jahren die neonazistische Struktur »Brigade Ost«, zu der der ebenfalls der »NSU«-Unterstützung Verdächtige Matthias Dienelt gehört haben soll. Er soll das Haus des Trios in Zwickau angemietet haben, Zschäpe benutzte teilweise das Pseudonym »Susann Dienelt«. Zudem soll in der Kleinstadt im Erzgebirge eine Frau wohnen, deren Name Zschäpes anderem Pseudonym gleicht. Die Frau, die nach nd-Informationen jegliche Verbindung zu der Gruppe bestreitet, soll Zschäpe ähnlich sehen und war in den 90er Jahren ebenfalls Teil der rechten Szene. Nun wird spekuliert, dass sie ihre Ausweispapiere zumindest zeitweise der seit 1998 als untergetaucht Geltenden überlassen habe.
Das Zwickauer Trio war aus der »Kameradschaft Jena« hervorgegangen, zu der auch die langjährig bekannten Nazikader Ralf Wohlleben und André Kapke gehörten. Wohlleben war unter anderem Landesvize der Thüringer NPD und gilt heute als Führungskader der Kameradschaftsstruktur »Freies Netz«. Zusammen mit Kapke wurde er dem Vernehmen nach mit einem Hubschrauber zur Befragung durch die BAW geflogen. Die beiden könnten also die zwei neuen Verdächtigen sein, von denen die BAW am Freitag sprach.
Die Justiz- und Innenminister aus Bund und Ländern trafen sich am Freitag zu einem »Krisengipfel« und übten sich angesichts des immer dubioser erscheinenden Gebarens der Sicherheitsbehörden in Aktionismus. Ein dem Treffen gegenüber skeptischer Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD), dessen Amtszeit in wenigen Tagen endet, betonte, es müsse in erster Linie die Mordserie aufgeklärt werden.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) forderte im Vorfeld des Treffens, Landesämter für Verfassungsschutz, deren Verstrickungen in den rechten Terrorismus noch nicht aufgeklärt sind, müssten zusammengelegt werden. Sie blieb ungehört. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) kündigte an, dass eine neue Zentraldatei für rechte Gewalttäter, ein »Abwehrzentrum Rechts« und eine bessere Kooperation der Sicherheitsbehörden.geben soll, teilte dpa nach dem Treffen mit.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.