Laden neben der Wohnung wurde zum lebhaften Kindergarten
Leserfrage zu Kinderlärm im Haus
Ich wohne im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses. Vor Jahren schon wurde der Laden neben der Wohnung als Kindergarten vermietet. Inzwischen rumpelt und schreit es durch meine Wohnung; an Wochenenden nicht selten bis nach 20 Uhr. Ich bin chronisch krank und kann nicht einfach die Fenster zumachen, um den Lärm zu mindern. Muss ich mir die Lärmbelästigung gefallen lassen?
Barbara B., Berlin
Die Antwort ist nicht so einfach. Inzwischen geht die Rechtsprechung davon aus, dass Kinderlärm hinzunehmen ist. Der BGH hat sich in einem Urteil vom 22. Januar 2003 (Az. VIII ZR 244/02) sehr eindeutig und ausführlich zur Frage der Lärmbelästigung durch Wohngeräusche (Kinder) im Mietrecht geäußert.
Die normalen Wohngeräusche anderer Mieter sind danach in einem Mietshaus hinzunehmen; hierzu gehöre auch üblicher Kinderlärm, der von Kindern der Mieter ausgingen. Die Üblichkeit bestimmt sich nicht nach den Ruhe- und Ordnungsvorstellungen Dritter, sondern nach den Wohn- und Lebensbedingungen sowie den Bedürfnissen der Kinder und ihrer pflegenden und erziehenden Eltern, so der BGH.
Die Mieter haben gegenseitig keinen Unterlassungsanspruch bei üblichem Kinderlärm im Mehrfamilienhaus urteilte das Amtsgericht Kassel am 23. April 1991 (Az. 872 C 855/91.
Auch eine Mietminderung bei erheblichen Mängeln, die nach dem Einzug des Mieters entstanden sind (wozu auch störender Lärm außerhalb der Wohnung gehört), soll bei Kinderlärm nicht möglich sein. Die Rechtsprechung geht zunehmend davon aus, dass Geräusche, die naturgemäß dem Bewegungs- und Spieldrang von kleinen Kindern entsprechen, von den übrigen Mietern eines Mehrfamilienhauses als vertragsgemäßer Gebrauch hingenommen werden müssen. Selbst häufige und über das übliche Maß hinausgehende Lauf- und Spielgeräusche müssen grundsätzlich als sozialadäquat hingenommen werden urteilte das Amtsgericht Braunschweig am 11. Juni 1999 (Az. 117 C 1270/99). Dabei komme es, so der Amtsrichter, nicht auf die Ruhe- und Ordnungsvorstellungen Dritter, sondern auf die konkreten Umstände im jeweiligen Mietobjekt (Schallisolierung, Alter des Hauses, Anzahl der Mietvertragsparteien, Anzahl und Alter der Kinder, Spielmöglichkeiten innerhalb des Hauses), das heißt auf die Wohn- und Lebensbedingungen sowie die Bedürfnisse der Kinder und ihrer pflegenden und erziehenden Eltern an.
Im vorliegenden Fall unserer Leserin wäre zu raten: Unter Hinweis auf den Mietvertrag und den § 535, Abs. 1 BGB sollte zunächst eine Aussprache mit dem Vermieter mit dem Ziel erfolgen, den vertragsgerechten Zustand der Wohnung durch Schallisolierung der Wand wieder herzustellen. Wichtig ist allerdings, dass der Laden beim Einzug noch nicht als Kindergarten genutzt wurde. Das heißt: Die Veränderung ist erst während der Mietzeit erfolgt. Der § 535 BGB verpflichtet Vermieter zu gewährleisten, dass der vertragsgemäße Zustand der Wohnung erhalten bleibt. Gibt es kein Einverständnis, könnte das auch eingeklagt werden.
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