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Ganz weit und ganz nah

Sonne, Mond und Sterne

  • Dieter B. Herrmann, Präsident der Leibniz-Sozietät
  • Lesedauer: 3 Min.

Schon der Titel des neuen Werkes von John D. Barrow klingt paradox: »Das Buch der Universen«. Dabei verstehen wir doch landläufig unter »Universum« das Allumfassende, Einzige, Weltganze. Ein Plural ist gar nicht vorgesehen. Müssen wir diese Definition jetzt aufgeben?

Der Autor überzeugt uns davon in doppelter Hinsicht: Zum einen streift er kenntnisreich und mit zahlreichen erhellenden Anekdoten gespickt durch die Geschichte der Erforschung des Kosmos von den ältesten Zeiten bis in die Gegenwart. Schon dabei wird deutlich, dass Weltbilder stets Bilder sind, die sich die Menschen von der Welt machen. Und so hat es in den Köpfen der Menschen im Wandel der Zeiten sehr viele verschiedene Universen gegeben. Doch während in der älteren Geschichte ein Universum das andere ablöste, weil die Erkenntnisse fortschritten und frühere Vorstellungen widerlegten, ist es heute anders.

Die Kosmologen haben eine Fülle miteinander konkurrierender »Universen« entwickelt, die fast gleichberechtigt nebeneinander stehen. Doch dieser Pluralismus, auch das erfährt man in dem Buch, kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Letztlich müssen – wie schon immer – Beobachtungstatsachen darüber entscheiden, in welchem Universum wir tatsächlich leben und welche hingegen nur geistreiche »Hirngespinste« sind.

Gerade die Vorstellung dieser vielen Varianten von Kosmologien lässt deutlich werden, dass wir Menschen es sind, die dem Versuch nicht widerstehen können und wollen, die wahre Geschichte unseres Universums herauszufinden. Unter den Denkmöglichkeiten, die sich erst in jüngster Zeit eröffneten, befindet sich nun aber auch die Vorstellung, dass wir in nur einem von sehr vielen Universen existieren, dass »unser Universum« Teil eines Multiversums ist – ein gänzlich neuer Begriff.

Dabei können in den verschiedenen Universen völlig andere Bedingungen, ja sogar andere Naturgesetze herrschen – eine immense Ausweitung des Gedankens von Copernicus anno 1543. Während der nämlich erkannte, dass die Erde nicht die Mitte der Welt ist, könnten moderne Forschungen darauf hinauslaufen, »dass vielleicht selbst unser Universum nicht der Mittelpunkt der Welt ist«. Das alles ist spannend und faktenreich beschrieben, unterhaltsam zu lesen und gibt diverse Denkanstöße.

Die »Hauptperson« des zweiten Buches ist ein kleiner, aber wirkmächtiger Himmelskörper ganz in unserer Nähe: der Mond der Erde. Jeder Mensch hat ihn unzählige Male gesehen, in all seinen verschiedenen Phasen, bei Tag und Nacht und vielleicht sogar im Schatten der Erde. Der Autor ist keineswegs Astronom, sondern eher Kulturhistoriker. Da bietet sich der Mond als Thema nachgerade an, hat er doch stets die Fantasie der Menschen nachhaltig beflügelt. Ob als Gottheit bei den alten Kulturvölkern, als Sehnsuchtsort der Raumfahrtfantasien, als Gegenstand der »Science fiction« oder als »Ratgeber« für Gärtner, Friseure und Hebammen. Gerade Esoteriker fühlen sich dem Mond auf besondere Weise verbunden, wenn auch ohne wissenschaftliche Begründung. Von alldem erzählt der Autor in einer fast nüchternen Sprache, ohne die wissenschaftliche Erforschung des Mondes (Entstehung des Mondes, Kartographie) einschließlich seiner bedeutsamen himmelsmechanischen Rolle für die Herausbildung des Lebens auf der Erde völlig auszuklammern.

Allerdings kommt etliches Wichtige über den Mond, was man gern ausführlicher gelesen hätte, in dem Buch recht knapp weg. Seine frühere Rolle z. B. bei der Orientierung auf See oder als Wegweiser durch die ersten Kalender. Auch die reale Raumfahrt zum Mond bildet ein spannendes Kapitel, das hier nur skizziert wird. Aber wer will es dem Autor verdenken, lautet doch der Untertitel seiner insgesamt instruktiven Exkursion »Die Geschichte einer Faszination«. Und er bekennt schließlich im Vorwort, dass dies seine subjektive Auswahl des komplexen Themas wäre.

John D. Barrow: Das Buch der Universen. Campus Verlag, Frankfurt am Main. 358 S., geb., 24,95 €. €

Bernd Brunner: Mond – Die Geschichte einer Faszination. Verlag Antje Kunstmann, München. 320 S., geb., 19,90 €

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