Castor so lange unterwegs wie nie

Betonklotz blockierte Gleis

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Mühsam bahnt sich der Castor-Zug mit hoch radioaktivem Atommüll den Weg nach Gorleben. Tausende Demonstranten blockieren den Konvoi erbittert. So lange war der Transport noch nie unterwegs.
Einer der vier an einer Betonpyramide festgeketteten Aktivisten der Bäuerlichen Notgemeinschaft winkt in Hitzacker den umstehenden Castor-Gegnern.
Einer der vier an einer Betonpyramide festgeketteten Aktivisten der Bäuerlichen Notgemeinschaft winkt in Hitzacker den umstehenden Castor-Gegnern.

Gorleben/Dannenberg (dpa) - Schwierige Schlussetappe für den bisher langwierigsten Castor-Atommülltransport: Mehr als 100 Stunden nach seiner Abfahrt in Frankreich hatte der von massiven Protesten begleitete Konvoi am späten Sonntagabend sein Ziel, das Zwischenlager Gorleben, noch immer nicht erreicht. Wann er dort eintreffen würde, war völlig offen.


Seit Sonntagmorgen bis zum späten Abend blockierten Atomkraftgegner die Schienenstrecke auf einer entscheidenden Etappe. Vier Landwirte ketteten sich an einer rund 600 Kilogramm schweren Betonpyramide an. Erst nach Verhandlungen mit der Polizei-Einsatzleitung gaben die Bauern auf.


Der am Mittwoch in Frankreich gestartete Transport mit hoch radioaktivem Müll kam wegen der massiven Proteste nur stockend voran und war am Sonntag länger unterwegs als alle seine Vorgänger. Der Verladebahnhof in Dannenberg wurde unterdessen für die Ankunft der elf Castor-Behälter vorbereitet und stark gesichert. Die Atommüll-Container sollten dort auf Speziallaster umgesetzt werden, um die letzte Etappe ins Zwischenlager Gorleben zurückzulegen.


Am Sonntag besetzten immer wieder bis zu 1000 Menschen an mehreren Orten die Gleise, um den Castor-Zug so lange wie möglich aufzuhalten. In einem unwegsamen Waldstück spitzte sich die Lage zwischen vermummten Demonstranten und der Polizei außerdem zu, es kam zu gewaltsamen Zusammenstößen. Polizisten wurden mit Steinen und Böllern angegriffen, Barrikaden brannten.


Die Betonpyramide, an der sich vier Landwirte - drei Männer und eine Frau - angekettet hatten, war für die Polizei das wohl schwierigste Hindernis auf der Castor-Strecke. Angesichts einer komplizierten Konstruktion hatten die Polizisten Mühe, die Atomkraftgegner zu lösen. Die Bauern seien bereit, das Gleis zu verlassen, wenn Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) einen sofortigen Baustopp für den Gorlebener Salzstock und alle Castortransporte nach Gorleben verhänge, sagten sie.


"Das ist kein Spaß mehr", sagte ein Polizeisprecher. Seit den frühen Morgenstunden lagen die vier Landwirte auf den Gleisen, rund zehn Kilometer vor Dannenberg. Wenige Meter hinter der Betonpyramide setzten sich zudem einige hundert Menschen auf die Gleise. Auch an vielen anderen Stellen am Rande der Schienenstrecke war die Lage äußerst unübersichtlich. Immer wieder gab es in den Waldstücken spontane Blockaden.


Das Eingreifen gegen Demonstranten mit Wasserwerfern und Schlagstöcken löste erneut einen Streit über die Polizei-Strategie aus. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth kritisierte: "Der Polizeieinsatz ist absolut überzogen. Er ist ein Anschlag auf die Demokratie."


Die Gewerkschaft der Polizei wies die Vorwürfe zurück. Der Bundesvorsitzende Bernhard Witthaut erklärte, die Polizisten hätten die Verhältnismäßigkeit gewahrt und sich um Deeskalation bemüht. "Sie haben allerdings die Aufgabe, den rechtmäßigen Transport der Behälter in das Zwischenlager sicherzustellen." Dazu dürften die Polizisten auch körperliche Gewalt einsetzen.


Der Castor-Zug hatte am Sonntagnachmittag seine Fahrt Richtung Dannenberg nach einem kurzen Stopp in Lüneburg fortgesetzt. Auch auf dem letzten, 20 Kilometer langen Stück des Weges auf der Straße bis zum Zwischenlager wurde mit Protestaktionen gerechnet.

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