Schock und Wut bei Manroland
Nach der Insolvenz des Druckmaschinenherstellers könnte die Aufspaltung folgen
Schock, Wut und Niedergeschlagenheit löste die Anmeldung der Insolvenz bei den Manroland-Beschäftigten in Offenbach aus. Das Werk in der hessischen Industriestadt am Main ist auf die Produktion von Bogendruckmaschinen spezialisiert, mit denen vor allem Werbeblätter und Buchseiten produziert werden. Hier zogen Mitarbeiter nach der Verkündung der Hiobsbotschaft am Freitag spontan durch die Innenstadt. Für Donnerstag hat die IG Metall die Belegschaft zu einer Kundgebung vor der Frankfurter Niederlassung des bisherigen Mehrheitseigentümers Allianz aufgerufen.
Der Frankfurter IG-Metall-Bezirksleiter Armin Schild forderte Gläubiger, Anteilseigner und Unternehmensvorstand auf, mit IG Metall und den Betriebsräten gemeinsam an einem Fortführungskonzept zu arbeiten. Dabei stünden auch die hessische Landesregierung und die Arbeitsverwaltung »in der Pflicht, damit nicht Tausende Arbeitnehmer und ihre Familien die Zeche für die Untätigkeit der Verantwortlichen zahlen müssen«.
Der Investmentarm des Versicherungskonzerns Allianz hat sich mit Manroland offenbar verspekuliert. Vor wenigen Jahren hatte er die Firma aufgekauft,um sie später gewinnbringend an die Börse zu bringen. Diese Rechnung ging wegen der Wirtschaftskrise nicht auf. Die Druckmaschinenbranche wird von den drei großen deutschen Herstellern Heidelberger Druck, Koenig & Bauer und Manroland geprägt, die 70 Prozent des Weltmarkts beherrschen.
Dass die Überkapazitäten zwangsläufig zur Schrumpfung der Branche und der Belegschaft führen muss, will Rainer Herth, Vorsitzender der IG-Metall-Vertrauenskörperleitung, nicht hinnehmen. »Druckmaschinen werden weiter gebraucht. Die Schulbücher unserer Kinder sind veraltet. Viele Kinder in Griechenland haben im neuen Schuljahr gar keine Bücher mehr bekommen«, argumentiert der Gewerkschafter in Anspielung auf europaweite Kürzungen der Bildungsausgaben. Sollte es zu Entlassungen kommen, dann müsse der gewerkschaftliche Kampf darauf gerichtet sein, dem Allianz-Konzern hohe Abfindungen abzutrotzen, so der Metaller. Um arbeitslos gewordene Beschäftigte vor dem Abrutschen in Hartz IV zu bewahren, sei je nach Betriebszugehörigkeit eine Summe von 500 000 Euro pro Beschäftigten angemessen und für die Allianz bezahlbar, sagt der Metaller.
Manroland, der größte Industriebetrieb in Offenbach, zählte vor der Jahrtausendwende noch über 4000 Mitarbeiter. Viele sind besonders deshalb schockiert, weil sie in den letzten Jahren mehrfach Lohnopfer und unbezahlte Arbeitszeitverlängerung hingenommen hatten, ohne damit den massiven Arbeitsplatzabbau auf 1900 zu verhindern. Auch für 2011 hatten sie auf Weihnachts- und Urlaubsgeld verzichtet.
Das Unternehmen beschäftigt zudem in Augsburg 2400 und in Plauen (Vogtland) 700 Arbeiter und Angestellte. Der bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) lehnt Staatshilfen für Manroland vorerst ab. »Es ist jetzt überhaupt nicht der Zeitpunkt, über Bürgschaften oder Staatshilfen zu sprechen«, sagte er am Montag nach einer Krisensitzung im Augsburger Rathaus. Die Verantwortung für die Zukunft des Unternehmens liege in erster Linie bei den Gesellschaftern Allianz und MAN, dem Unternehmen selbst und bei den Banken.
Derweil scheint eine Abspaltung des Offenbacher Betriebsteils möglich. Ein Vertreter des Insolvenzverwalters habe angekündigt, bevorzugt einen Investor allein für die Produktion von Bogendruckmaschinen zu suchen, berichtete Betriebsratschefin Alexandra Roßel. Was anderswo als gefährliche Zerschlagung des Unternehmens gesehen würde, nährt nach Roßels Angaben in Offenbach Hoffnung.
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