Leseprobe
Leo Rosenthal
Als Leo Rosenthal im Oktober 1969 starb, ging ein Leben zu Ende, das von vielen Brüchen geprägt war ... Er, der studierte Jurist aus Riga, war Anfang der 20er Jahre nach Berlin gekommen, obwohl ihm klar sein musste, dass er ohne »preußisches« Staatsexamen keinerlei Aussichten auf eine juristische Karriere in der Hauptstadt des Deutschen Reiches hatte. Allerdings ließ ihn die Faszination, die von den Berliner Gerichtssälen ausging, offenbar nicht mehr los. Zunächst als Gerichtsreporter, dann zusätzlich als Gerichtsfotograf berichtetet er von Prozessen, die interessierten: Klatsch und Tratsch, Kuriositäten, Wirtschaftsvergehen, Kapitalverbrechen und politische Auseinandersetzungen. Seine Fotografien bieten dem Betrachter aus der Perspektive des Schlüssellochs einzigartige Einblicke in das Geschehen vor Gericht ...
In Berlin gerieten Rosenthal und sein Werk vollkommen in Vergessenheit, da er, der Sozialdemokrat und Jude, 1933 vor den Verfolgungen der Nationalsozialisten fliehen musste. Leo Rosenthal entging zwar, im Gegensatz zu seinen Familienangehörigen, der physischen Vernichtung, aber die Nationalsozialisten hätten fast doch ihr Ziel erreicht, auch die kollektive Erinnerung an die Verfolgten zu löschen.
Rosenthal baute sich nach Kriegsende bei den United Nations in New York eine neue Karriere als freier Fotograf auf, Berlin verschwand aber nie ganz aus seinem Fokus.
Aus dem Vorwort von Uwe Schaper für den Bild-Text-Band »Leo Rosenthal. Ein Chronist in der Weimarer Republik. Fotografien 1926-1933« (Schirmer/Mosel, 160 S., geb., 29,80 €).
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.