Jagd auf Steuerflüchtlinge

Französische Behörden fahnden nach versteckten Auslandskonten

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Spar- und Maßhaltepolitik der Rechtsregierung in Frankreich trifft vor allem die sozial Schwächeren. Angesichts dessen können sich die Behörden nicht länger der Forderung nach einer konsequenten Jagd auf Steuerflüchtlinge verschließen.

Die französische Regierung hat weitere Maßnahmen gegen Steuerflüchtlinge angekündigt. So soll der Zeitraum, in dem unterlassene Angaben über Auslandsguthaben strafrechtlich geahndet werden können, von bislang drei auf künftig zehn Jahre heraufgesetzt werden. Damit will man der Justiz mehr Zeit für die Suche nach und die Bestrafung von Steuerhinterziehern geben.

Seit 2007, als ein Bericht des Rechnungshofs die jährlichen Einnahmeverluste aus Steuerflucht und -hinterziehung auf jährlich 20 bis 25 Milliarden Euro schätzte, hat sich bereits einiges getan. So wurden Finanzdezernate bei der Kriminalpolizei und eine spezielle Steuerpolizei gebildet. Deren Ermittlungen und Prüfungen haben seitdem 50 Milliarden Euro an Nachzahlungen und Strafgelder in die Kassen des Staates gespült. Allein 2010 waren es 16 Milliarden Euro. Mitunter haben die Finanzpolizisten auch einfach nur Glück. Von einem ehemaligen Mitarbeiter der Schweizer Filiale der Großbank HSBC bekamen sie 2006 eine CD mit den Namen von 3000 französischen Kontoinhabern. Davon wurden bisher in 350 Fällen Steuerprüfungen veranlasst, die 160 Millionen Euro an Nachzahlungen und Strafen erbracht haben.

Das Medienecho über die verschärfte Jagd auf Steuerflüchtlinge hat ebenfalls seine Wirkung getan. Seither geben deutlich mehr Franzosen ihre Auslandsguthaben beim Finanzamt an als früher. Ihre Zahl stieg von 25 000 im Jahr 2007 auf 77 000 im vergangenen Jahr. Außerdem haben 4700 Franzosen von der zwischen April und Dezember 2009 eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch Selbstanzeige bei einer im Finanzministerium eingerichteten »Regularisierungsstelle« mit einer relativ moderaten Strafe davonzukommen. Dadurch hat die Staatskasse 7 Milliarden Euro an Nachzahlungen und 1,7 Milliarden Euro an Strafgeldern eingenommen.

Auch kleinere Sünder bleiben nicht mehr ungeschoren. So können die Behörden seit 2007 von den Banken Auskunft über Franzosen einfordern, die in Frankreich Einkäufe mit Kreditkarten ausländischer Banken getätigt haben. Diese Informationen kann der Fiskus dann mit den Daten der Steuererklärung abgleichen.

Heftig diskutiert wird derzeit die Frage, ob Frankreich wie Deutschland und Großbritannien mit der Schweiz ein bilaterales Abkommen über eine pauschale Quellensteuer für Auslandsguthaben bei Bewahrung der Anonymität ihrer Inhaber schließen soll. Dort sollen Franzosen 80 Milliarden Euro versteckt haben. Doch die Regierung in Paris erwartet sich einen größeren Erfolg durch die konsequente Aufdeckung und Bestrafung aller Steuerflüchtlinge. Dies sei eine »prinzipielle und nicht zuletzt moralische Frage«, erklärt das Finanzministerium, und betreffe die Gleichheit aller Bürger vor der Steuer.

Dass es damit bisher nicht weit her ist, belegt die dieser Tage bekannt gewordene Zahl französischer Milliardäre, die ihr Geld ganz legal in die Schweiz überwiesen haben, dort gemeldet sind und nur eine pauschale Steuer zahlen, die zudem nicht auf der Grundlage ihrer Guthaben berechnet wird, sondern anhand ihrer Ausgaben in der Schweiz. Unter den 300 reichsten Bewohnern der Alpenrepublik finden sich in diesem Jahr 44 Franzosen, während es vor zehn Jahren erst 17 waren.

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