Zweierlei Empörung
Kommentar von Haidy Damm
Eine neue Welle der Empörung geht durch Europa. Die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) hat der Europäischen Union und mehreren Banken mit einer Herabstufung gedroht. Damit hat sie den Druck auf den EU-Gipfel nicht nur erhöht, sie hat ihren Einfluss auch so offensichtlich wie selten zuvor gezeigt. Man werde die Entscheidung der Herabstufung von den Ergebnissen des Gipfels abhängig machen, ließ die Agentur verlauten. Auch die schnell hinterhergeschobene Erklärung, keine »spezielle Ansicht« zu haben, »was beschlossen werden sollte«, kann nicht über diese klare Warnung an die EU-Länder hinwegtäuschen: Jetzt müssen Nägel mit Köpfen gemacht werden. Doch die breite Empörung von EU-Vertretern, Bundesregierung und Opposition ist heuchlerisch. Nicht nur, dass es dieselben Politikerinnen und Politiker waren, die die Ratingagenturen erst mit dieser Macht ausgestattet haben. Die Drohung an die EU-Staaten unterstützt die Position von Kanzlerin Merkel, die bei diesem Gipfel ihren Kurs der Sparprogramme und der Einschränkung der nationalen Haushaltshoheit durchsetzen will, indem sie unter anderem den Vertrag von Lissabon außer Kraft setzen will. Während alle auf die Noten der Ratingagenturen wie die Kaninchen auf die Schlange starren, erfährt Europa einen Umbau, dessen Folge noch weniger Demokratie und stärkere Hegemonie weniger Staaten ist - allen voran Deutschland und Frankreich. Bei den Protesten in Griechenland, Spanien und Portugal ist die Empörung ebenfalls groß. Die zunehmende Macht aus Berlin und Paris wird dort als das gesehen was sie ist: eine tatsächliche Gefahr für Europa.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.