»Linker« Terror aus NATO-Kreisen
Die Stay-behind-Organisation »Gladio« war nicht nur gegen den Warschauer Pakt ausgerichtet
»Gladio« ist eine kurz nach dem Zweiten Weltkrieg von der NATO aufgebaute, strikt antikommunistisch ausgerichtete bewaffnete Stay-behind-Organisation. Sie soll im Fall eines Krieges mit dem Warschauer Pakt oder bei einer kommunistischen Regierungsbeteiligung in Europa zu Guerillamethoden greifen. Die Rekrutierung von Freiwilligen erfolgt häufig im nazistischen und faschistischen Lager. Besonders im Visier von »Gladio« ist Italien mit seiner starken Kommunistischen Partei.
»Washington, London und der italienische militärische Geheimdienst befürchteten, dass der Einzug der Kommunisten in die Regierung die NATO von innen heraus schwächen könnte. Um dies zu verhindern, wurde das Volk manipuliert: Rechtsextreme Terroristen führten Anschläge aus, diese wurden durch gefälschte Spuren dem politischen Gegner angelastet, worauf das Volk selber nach mehr Polizei, weniger Freiheitsrechten und mehr Überwachung durch die Nachrichtendienste verlangte«, beschreibt der Schweizer Historiker Daniele Ganser das subversive Vorgehen, das auch als Strategie der Spannung bekannt geworden ist.
Das blutigste Attentat dieser Art trifft am 2. August 1980 den Hauptbahnhof von Bologna. Bei einer Bombenexplosion sterben 85 Menschen, mehr als 200 werden verletzt. Zunächst heißt es von offizieller Seite, linke Gruppen seien für die Tat verantwortlich. Doch die vorgebrachten Behauptungen sind zu unglaubwürdig. Schließlich werden Jahre später die Neofaschisten Valerio Fioravanti und Francesca Mambro zu lebenslanger Haft verurteilt. Licio Gelli, den Chef des einflussreichen rechten Geheimzirkels »Propaganda Due« (P2), und die beiden Agenten des militärischen Nachrichtendienstes SISMI, Pietro Musumeci und Giuseppe Belmonte, belangt das Gericht wegen Behinderung der Ermittlungen. Der Rechtsterrorist Vincenzo Vinciguerra, ein früheres Mitglied der Gruppen »Avanguardia Nazionale« und »Ordine Nuovo« und selbst für den Mord an drei Carabinieri zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurteilt, charakterisiert das Vorgehen von »Gladio« bei seinen Vernehmungen so: »Jede einzelne der Gewalttaten nach 1969 passte genau in ein einheitliches, organisiertes Schema (…) Die Avanguardia Nazionale wurde ebenso wie der Ordine Nuovo für einen Kampf mobilisiert, der Teil einer antikommunistischen Strategie war. Diese entstammte nicht etwa staatsfernen Institutionen, sondern dem Staatsapparat selbst, spezifischer dem Bereich der Verbindungen des Staats zur NATO.«
Die zwischen 1994 und 2000 vom italienischen Senat eingesetzte Untersuchungskommission kommt zu dem Ergebnis, das Attentat von Bologna und andere Anschläge »wurden organisiert oder unterstützt von Personen in Institutionen des italienischen Staates und von Männern, die mit dem amerikanischen Geheimdienst in Verbindung standen«.
Während in Deutschland vor allem der Anschlag auf das Münchner Oktoberfest (13 Tote) in Zusammenhang mit »Gladio« gebracht wird, ist es in Belgien das »Massaker von Brabant«. Es besteht der Verdacht, dass auch die bis heute nicht gefasste »Bande von Nijvel« mit dem Netzwerk in Verbindung steht. Ihr wird zwischen 1982 bis 1985 eine Serie äußerst brutaler Raubüberfälle auf Restaurants, Einzelhändler, Supermärkte und ein Waffendepot angelastet. Die Täter erschießen wahllos auch mehrere gänzlich unbeteiligte Personen. Insgesamt sterben 28 Menschen, mehr als 20 werden verletzt. Tatverdächtig ist die Neonazi-Organisation »Westland New Post«, die Anhänger in der Gendarmerie hat.
Nach Bekanntwerden der italienischen »Gladio«-Aktivitäten im Jahre 1990 fordert Verteidigungsminister Guy Coeme auch für Belgien eine parlamentarische Untersuchung. Der Abschlussbericht bestätigt, dass eine Untereinheit des militärischen Geheimdienstes SGR als Stay-behind-Formation aktiv war.
Teil 6 in der Freitagausgabe:
Die Hepp-Kexel-Gruppe
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