Muss der Bundespräsident zurücktreten?

  • Lesedauer: 3 Min.

PRO: Grüßaugust mit Gewicht

Von Markus Drescher

Seine Einflussmöglichkeiten halten sich sehr in Grenzen. Allein »die Macht der warmen Worte« begleitet ihn auf seiner Tingeltour zwischen »Ich werde heute eine Fähre taufen« und »Ich bin der Schirmherr dieses Krötentunnels« (Rainald Grebe): der Bundespräsident. Aber selbst ein im Prinzip politisch völlig überflüssiges Amt sollte mit einer Persönlichkeit besetzt sein.

Mit einem Rücktritt sollte Wulff den Platz freimachen für jemanden, den die einen lieben, die andern hassen oder alle ertragen können. Egal, aber in jedem Fall für jemanden, den man zumindest ernst nehmen kann - ob man seine warmen Worte nun gut findet oder nicht. Einen Grüßaugust mit Gewicht und Profil.

Bleibt Wulff im Amt, reist in den nächsten Jahren nicht nur wie bisher ein blasser, nur von Amts wegen halbwegs anerkannter Bundespräsident herum, sondern einer, der ständig von Spott und Hohn begleitet wird. Das dürfte erstens kein Mensch (auch kein Politiker) auf Dauer aushalten und zweitens wäre damit selbst das Wenige, was ein Staatsoberhaupt bewirken kann, vertan. Wenn es gut läuft, etwa gesellschaftskritische Äußerungen. Zwar sind die nur ein Symbol. Aber ein Symbol, über das debattiert wird, das zumindest für etwas Bewegung sorgen könnte. Äußerungen von jemandem, der derartig auseinandergenommen wurde wie nun Wulff, könnten wohl nicht einmal mehr das erreichen.

CONTRA: Falsche Ansprüche

Von Ralf Hutter

Was noch bezüglich Christian Wulffs Zeit als Niedersachsens Ministerpräsident herausgefunden wird, mag ihn als Bundespräsident untragbar machen. Was jedoch aktuell so ventiliert wird, ist unsachlich und kein Rücktrittsgrund.

Zum Einen geht es um einen angeblichen Angriff auf die Pressefreiheit. Fakt ist aber: Wulff konnte die Zeitungen des Axel-Springer-Verlags zu gar nichts zwingen. Die Pressefreiheit ist angetastet, wenn jemand institutionelle, legitime Macht dazu verwendet, einen Bericht zu beeinflussen. Hier liegt aber etwas anderes vor: Wulff wollte die Nähe des Springer-Konzerns zu seiner Partei nutzen. Bei anderen Zeitungen hätte er eine Intervention ganz anders gestaltet. Zudem kann solch ein Konzern, anders als kleine Zeitungen, nicht mit der Androhung langer Rechtsstreits eingeschüchtert werden. Wenn eine Springer-Zeitung auf Wulffs Intervention hin gekuscht hätte, wäre das Selbstzensur gewesen!

Zum Anderen erwecken viele Leute in Opposition und Medien den Eindruck, ein Bundespräsident habe über alles erhaben zu sein: keine parteipolitische Prägung, keine persönlichen Beziehungen zu Reichen und Mächtigen, keine negativen Emotionen. Das aktuelle billige Geschrei hinsichtlich der moralischen Ansprüche an dieses Amt reproduziert die Illusion eines überparteilichen Übermenschen. Einen solchen Führer hätten altbekannten Umfragen zufolge 20 Prozent der Deutschen gerne als starken Regenten.

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