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Kommunen fordern »Agenda 2020«

Deutscher Städte- und Gemeindetag will Kurswechsel

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Defizit trotz Aufschwungs: Im abgelaufenen Boomjahr 2011 mussten Städte und Gemeinden ein Minus von drei Milliarden Euro verbuchen. Nun fordert der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) harte Einschnitte, auch im Sozialbereich.

»Das Jahr 2011 war ein gutes Jahr für die Städte und Gemeinden«, betonte der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), Roland Schäfer, am Donnerstag in Berlin. Viele Kommunen hätten vom Aufschwung des letzten Jahres profitiert, so Schäfer, der auch Bürgermeister der Stadt Bergkamen ist. Deutlichstes Indiz: die gestiegenen Einnahmen bei der Gewerbesteuer.

Doch trotz des Konjunkturaufschwungs mussten die Kommunen ein strukturelles Defizit von rund drei Milliarden Euro verzeichnen. Damit lag das Minus zwar um sieben Milliarden Euro unter dem des Krisenjahres 2010, doch trotzdem konnten die laufenden Ausgaben im letzten Jahr nur durch kurzfristige Kassenkredite in Höhe von 43,8 Milliarden Euro gedeckt werden. Wie dramatisch sich die Situation zugespitzt hat, zeigt der Langzeitvergleich: Im Jahre 1992 lag das Gesamtvolumen dieser Liquiditätskredite noch bei 1,2 Milliarden Euro.

Wie DStGB-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg gestern sagte, hätten einige Kommunen bereits Schwierigkeiten, überhaupt an Kredite zu kommen. Insgesamt, so Landsberg, lag die Gesamtverschuldung aller Kommunen bei 170 Milliarden Euro.

Erschwerend hinzu kam, dass die Sozialkosten auf die neue Rekordmarke von beinahe 45 Milliarden Euro kletterten. Diese Entwicklung zeige, so DStGB-Präsident Schäfer, »dass ein grundsätzliches Umsteuern notwendig ist«. Der Kommunalpolitiker forderte deshalb eine »Agenda 2020«. In Anbetracht des Schuldenstandes werde die Konsolidierung der Finanzen »nicht ohne Einschnitte für alle in diesem Staat gehen«, prophezeite Schäfer.

Der Städte- und Gemeindebund präsentierte gestern bereits einige Vorschläge. So möchte man einen Teil der Altschulden in einem Fonds zusammenführen, um diesen »aus bestimmten Steuereinnahmen dauerhaft« zu tilgen, erläuterte Schäfer.

Zudem sollte der Solidarbeitrag für die neuen Länder in ein gesamtdeutsches Konjunkturprogramm III fließen, um so Investitionen in Bildung und Infrastruktur zu ermöglichen. Auch die »Stabilisierung der Einnahmen aus der Gewerbesteuer« müsse durch durch die Einbeziehung von Freiberuflern vorangetrieben werden.

Seit Jahren gibt es Überlegungen, die Gewerbesteuer - als wichtige Einnahmequelle der Kommunen - konjunkturunabhängiger zu gestalten. Denn in Krisenjahren brechen auch den Kommunen die Steuereinnahmen weg.

Schäfer forderte am Donnerstag einen grundsätzlichen Kurswechsel: »Alle Leistungsgesetze gehören auf den Prüfstand.« So müssten Investitionen in Bildung und Infrastruktur Vorrang haben vor höheren Transferleistungen. Er plädierte zudem dafür, auf das geplante Betreuungsgeld für Eltern zu verzichten und stattdessen die Kommunen beim Ausbau der Kinderbetreuung zu unterstützen. Um dem gesetzlichen Rechtsanspruch auf einen Kita-Betreuungsplatz ab Mitte 2013 zu gewährleisten, fehlen nach Angaben des Verbandes derzeit noch 250 000 Kindergartenplätze. Landsberg zeigte sich skeptisch, ob dieses Ziel erreicht werden könnte. Eine so große Anzahl an Plätzen in einer so kurzen Zeit sei bislang noch nie geschaffen worden, mahnte Landsberg. Die vom Bund dafür bereitgestellten zwölf Milliarden Euro reichten nicht.

Trotz aller Probleme zeigte sich Verbandspräsident Schäfer optimistisch: Sollte die gute Konjunktur anhalten, könnten die Kommunen 2012 wieder in die schwarzen Zahlen kommen.

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