Entschädigung nach Ende des Nutzungsvertrags?
Schuldrechtsanpassungsgesetz - Grundstücksnutzung
Nach § 23 Abs. 3 SchuldRanpG kann der Grundeigentümer den Nutzungsvertrag kündigen, wenn er das Grundstück zur Errichtung eines Ein- oder Zweifamilienhauses für sich, für die zu seinem Hausstand gehörenden Personen oder seine Familienangehörigen benötigt oder wenn er es selbst zur Erholung und Freizeitgestaltung benötigt. Laut § 12 muss der Eigentümer dann dem Nutzer für dessen Aufbauten eine Entschädigung nach dem Zeitwert zahlen.
Doch wenn der Nutzer den Vertrag kündigt, wird ihm oftmals eine Entschädigung vorenthalten, obwohl Gerichtsurteile, so des Bundesgerichtshofes (Az. XII ZR 156/05) solche Ansprüche bestätigt haben. Und es besteht die Gefahr, die halben Abrisskosten zahlen zu müssen (§ 15).
Die Diskussion darüber, dass das SchuldRAnpG entsprechend verändert werden sollte, ist also längst nicht ausgestanden. So betont der Berliner Rechtsanwalt Jürgen Naumann, dass eine Entschädigung für Aufbauten, Anpflanzungen und Erschließungsmaßnahmen bei Beendigung eines Nutzungsverhältnisses erfolgen sollte, und zwar egal, aus welchem Grunde und von wem es beendet wurde. Da ausschließlich Nutzer aus den neuen Bundesländern betroffen sind, fehlt jedoch für die Veränderung der gesetzlichen Festlegungen eine Lobby.
Unterlagen aufbewahren
Auch mehr als 20 Jahre nach der politischen Wende landen Auseinandersetzungen zwischen Nutzern und Eigentümern immer wieder vor Gericht, weil Grundstückseigentümer nach Kündigung des Pachtvertrages berechtigte Forderungen der Nutzer nach einer Entschädigung abweisen.
Rechtsanwalt Naumann rät Nutzern, alle vorhandenen Unterlagen vom Pachtvertrag über die Baugenehmigung bis zu Dokumenten über die Aufbauten, Anpflanzungen und Erschließungen sicher aufzubewahren.
Wollen Nutzer den Vertrag beenden, so sollten sie rechtzeitig, also mindestens ein Jahr vor Vertragsende, in Verhandlung treten, um eine Entschädigung zu erwirken und/oder eine einvernehmliche Lösung zu finden. Es sei zu überlegen, ob ein Sachverständiger hinzugezogen wird, dessen Kosten vom Nutzer übernommen werden müssen (es sei denn, anderes wurde vereinbart).
Nutzer sollten auch beachten, ob das sogenannte Seniorenprivileg des § 23 Abs. 5 Schuld-RAnpG für sie gilt. Danach ist eine Kündigung zu Lebzeiten des Nutzers nicht zulässig, wenn er am 3. Oktober 1990 das 60. Lebensjahr vollendet hat.
Wie schwer die Interessen der Nutzer und der Grundeigentümer unter einen Hut zu bringen sind, zeigt ein Verfahren vor dem Amtsgericht Berlin-Köpenick, das Rechtsanwältin Marion Baatz, Berlin, dem Ratgeber übersandte. Die Eigentümer eines Wochenendgrundstücks hatten die Nutzer verklagt, das Grundstück bis zum 31. Oktober 2011 zu räumen und herauszugeben.
Außerdem sollten sie ab August 2011 ein erhöhtes Nutzungsentgelt zahlen und für ihr im Grundbuch eingetragenes Vorkaufsrecht nach § 20 Vermögensgesetz eine Löschungsbewilligung erteilen. Die Klägerin bot eine Abfindung in einer noch zu vereinbarenden Höhe an. Die Klägerin begründete ihr Kündigung des Vertrages mit Eigenbedarf des Grundstücks.
Auf einen Vergleich geeinigt
In vielen Schriftsätzen wurde nachgewiesen, dass die Klägerin das Haus nicht selbst nutzen, sondern verkaufen wollte; die Forderung nach einem erhöhten Nutzungsentgelt nicht begründet war; von der Klägerin behauptete Verwahrlosung des Grundstücks nachweislich zurückgewiesen werden konnte.
Nach langem Hin und Her haben sich Eigentümer und Nutzer im November 2011 auf einen Vergleich geeinigt:
- Das Nutzungsverhältnis endet zum 8. November 2013.
- Ab November 2011 wird für die restliche Zeit des Nutzungsverhältnisses keinerlei Nutzungsentgelt mehr gezahlt.
- Die beklagten Nutzer erteilen bis zum 8. November 2013 eine Löschungsbewilligung für das Vorkaufsrecht.
- Bis zum 8. November 2013 wird das Grundstück, wie es steht und liegt, beräumt von persönlichen Gegenständen, an die Eigentümer herausgegeben.
- Die Klägerin zahlt als Ausgleich für die vorzeitige Beendigung des Nutzungsverhältnisses und für die Aufbauten und Anpflanzungen einen Betrag von 5000 Euro. Damit sind der Rechtsstreit und alle Forderungen aus dem Vertrag erledigt.
Nicht in jedem Fall ist eine solche einvernehmliche Lösung zu erreichen oder anzustreben. Gefragt sind Politik und einschlägige Interessenvertreter, um neue gesetzliche Lösungen für die Grundstücksnutzungsfragen zu finden, die niemanden benachteiligen. RBL
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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