Griechische Gewerkschafter vor Gericht

Verfahren wegen spektakulärer Besetzung des Rechenzentrums des staatlichen Stromversorgers

  • Anke Stefan, Athen
  • Lesedauer: 3 Min.
Mehrere Gewerkschafter wollten den immer neuen Sparprogrammen der griechischen Regierung nicht länger zusehen - nun stehen sie vor Gericht.

In Athen hat am Dienstag ein aufsehenerregender Prozess gegen zehn Mitglieder der Gewerkschaft beim staatlich kontrollierten Stromversorger DEI, darunter deren Vorsitzender Nikos Fotopoulos, und fünf weitere Bürger begonnen. Sie sind des Hausfriedensbruchs, der Behinderung der Arbeit einer öffentlichen Einrichtung und teilweise des Widerstands gegen die Staatsgewalt angeklagt.

Hintergrund des Verfahrens ist eine der spektakulärsten Gewerkschaftsaktionen des vergangenen Jahres. Aus Protest gegen die Anordnung der Regierung, eine im September eingeführte Sondersteuer auf Eigenheime über die Stromrechnung einzuziehen, besetzten Gewerkschafter am 20. November das Rechenzentrum der Elektrizitätsgesellschaft DEI. Dadurch sollte die Erstellung von Bescheiden verhindert werden, in denen für Zahlungsverweigerer das Abstellen des Stroms angeordnet wurde. Die Aktion fand große Zustimmung in der Bevölkerung, vor allem unter den hunderttausenden Besitzern kleiner, meist noch nicht abbezahlter Eigenheime, die mit der neuen Sondersteuer ein weiteres Mal für eine Krise geschröpft werden, die sie nicht verursacht haben. Während der vier Tage dauernden Besetzung bekundeten zahlreiche andere Gewerkschaften und hunderte Bürger vor dem Gebäude ihre Solidarität mit der Aktion.

Als das Gebäude am 24. November von der Polizei gewaltsam geräumt wurde, leisteten die Gewerkschafter lediglich passiven Widerstand. Trotzdem wurden die jetzt Angeklagten vorläufig festgenommen. Für sie handelt es sich nicht nur um einen vom Streikrecht gedeckten Akt des Widerstands. Sie berufen sich auch auf Artikel 120 der griechischen Verfassung, in der der Bürger zur Verteidigung der verfassungsmäßigen Grundwerte aufgerufen wird. »Wenn es unser Gesetzesbruch ist, uns zu weigern, den Armen den Strom abzustellen, dann handeln wir gerne 1000 Mal illegal«, hieß es in einer zum Prozessbeginn veröffentlichten Stellungnahme der Gewerkschaft GENOP-DEI.

Den Zeugen der Anklage gelang es am ersten Verhandlungstag nicht, die Vorwürfe in entscheidenden Punkten zu erhärten. So verneinten die leitenden Angestellten der Stromgesellschaft die Frage, ob durch die Besetzung Schäden am Gebäude angerichtet worden seien. Sie seien lediglich von den Gewerkschaftern am Betreten des Rechenzentrums gehindert worden. Man habe nicht arbeiten können, so eine Abteilungsleiterin im Rechenzentrum, da der Strom im gesamten Gebäude abgestellt worden war.

»Dies ist ein klar politischer Prozess«, erklärte Nikos Fotopoulos gegenüber »nd«. »Auf der Anklagebank sollten die Parlamentarier sitzen, die derartige Gesetze verabschieden, mit denen das Leben hunderttausender Menschen in Gefahr gebracht wird, und nicht diejenigen, die sie verhindern wollen.« Mit dem Gerichtsverfahren solle jede Form von Widerstand diskreditiert und verhindert werden, führte der GENOP-DEI-Vorsitzende aus. Seine Gewerkschaft werde sich dadurch aber nicht aufhalten lassen. »Niemand wird uns an der Erfüllung unserer Pflicht hindern, weder die Züge der Bereitschaftspolizei, noch eine Hundertschaft an Staatsanwälten.«

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -