Lebt die Bewegung noch?

Aktivistin Ele Laz über das internationale Treffen der Empörten in Rom

  • Lesedauer: 3 Min.
Die Interesse an den Asambleas hat merklich abgenommen.
Die Interesse an den Asambleas hat merklich abgenommen.

nd: Es ist still geworden um die Empörten in Europa. Die internationalen Aktivisten des »Marsches nach Athen« sind nun zu Besuch in Rom. Für Sonntag ist drei Monate nach dem erfolgreichen 15. Oktober wieder ein internationaler Aktionstag angekündigt. Zeigt die Bewegung ein Lebenszeichen?
Wegen des Wetters sind zur Zeit weniger Menschen auf den Straßen und Plätzen. Hier in Rom schwankt die Zahl zwischen 50 und 300, gerade weil die internationalen Aktivisten da sind. Aber es beteiligen sich noch weit mehr, vor allem im Internet. Wie es weitergehen wird, kann man nicht vorhersehen. Aber das ist auch eine Stärke dieser Bewegung, ihre Unvorhersehbarkeit.

Vorhersehbar ist hingegen das Programm der »Agora Roma«. Wie sieht das internationale Treffen in Rom genau aus?
Täglich um 18 Uhr halten wir einen große Versammlung ab. Vormittags kommen die Arbeitsgruppen zusammen und machen Aktionen, die wir auf der Assemblea beschlossen haben. Zur Zeit bereiten wir alles für Sonntag vor, wo wir einen Karneval des Systems veranstalten - eine Parodie auf das kapitalistische System. Wir werden durch die ganze Stadt ziehen, von unserem Treffpunkt Piazza San Giovanni aus durch das Zentrum, vorbei am Colosseum und dem Trevi-Brunnen bis zum Platz des Volkes.

Das ist einer der größten Plätze in der Hauptstadt Italiens.
Ja, wir wollen alle zu unserer Versammlung einladen.

Warum könnte das die Menschen in Rom interessieren?
Wir wollen über Arbeit diskutieren. Das geht nicht nur Italiener etwas an. Wie lang, schwer und zu welchem Lohn gearbeitet wird, sind Fragen in allen Ländern. Deshalb wollen wir über die Arbeitsbedingungen in ganz Europa informieren.

Das Arbeitsrecht ist gerade ein viel diskutiertes Thema in Italien. Wollen Sie auch Einfluss auf die Reformvorhaben der neuen Regierung nehmen?
Die Menschen sollen verstehen, dass es Kämpfe in verschiedenen Branchen gibt, die sich immer um die selbe Sache drehen. Vor Kurzem wurden bei der italienischen Bahn 800 Personen entlassen, hier in Rom wurden drei Krankenhäuser geschlossen. Mit der neuen Form der Versammlung wollen wir die Klassen zusammen bringen.

Klassenkampf ist nichts Neues. Was ist also anders an der Bewegung der Empörten?
Der Diskurs um das Neue ist einer des kapitalistischen Systems. Es wird immer gefragt: Was ist neu an eurer Bewegung? Doch wenn eine Person in den 60ern und 70ern und bis heute für die Menschenrechte demonstriert hat, ist das nicht jedes Mal etwas Neues. Diese Person tut das, weil dieses System die Rechte nie anerkannt hat. Es ist also normal, dass sich Forderungen wiederholen. Dieses System wollte nie zuhören und tut es auch heute nicht. Deshalb müssen wir neue Wege suchen, uns zu organisieren. Wir wollen nicht reformieren, wir wollen den Wandel.

Wie soll der erreicht werden?
Wir überlegen uns Alternativen. Im Bereich Arbeit denken wir zur Zeit an Fabrikbesetzungen und daran, wie man sich der Produktionsmittel bemächtigen kann. In Punkto Umwelt überlegen wir, wie man den Verkehr verbessern kann. In Rom ist es nicht üblich, sich mit dem Fahrrad zu bewegen. Selbstorganisation ist uns sehr wichtig. Im Mai soll es den nächsten Generalstreik geben. Dann wird die Bewegung hoffentlich erwachen. Fragen: Katja Herzberg

Die Italienerin Ele Laz ist Sprecherin von »Agora Internazionale di Roma«, der internationalen Versammlung der Empörten, die vom 10. bis 17. Januar in Rom stattfindet.

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