Frankreich verliert AAA-Note

Rechtsregierung versucht Konsequenzen herunterzuspielen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.
Freitag der 13. war für Frankreich wahrlich ein Unglückstag, denn die US-amerikanische Ratingagentur Standard & Poor’s entzog dem Land die Bestnote AAA und stufte es herunter auf AA+.

Zugleich wurde Frankreich eine »negative Perspektive« bescheinigt, was befürchten lässt, dass eine weitere Herunterstufung in absehbarer Zeit nicht auszuschließen ist. Die Vorzeichen für den Bestnotenverlust hatten sich schon seit Wochen verdichtet, doch Präsident Nicolas Sarkozy und seine Rechtsregierung hofften bis zuletzt, dass sie noch einmal verschont würden. Immerhin stehen in knapp 100 Tagen die Präsidentschaftswahlen und einen Monat später die Parlamentswahlen an, bei denen ein Machtwechsel zugunsten der Linken droht.

In diesem Licht ist die Entscheidung von S&P ein schlechtes Omen. Zwar halten sich die wirtschaftlichen Konsequenzen in Grenzen, denn die Finanzmärkte hatten die Herabstufung längst vorweggenommen, so dass Frankreich für neu aufgenommene Kredite schon seit Monaten deutliche höhere Zinsen zahlen muss als beispielsweise Deutschland, obwohl beide Länder auf dem Papier mit AAA auf gleicher Stufe standen. Doch entscheidender ist der politische Effekt. Noch vor Monaten hatte Sarkozy die AAA-Note als »nationalen Schatz« bezeichnet, den er »um jeden Preis verteidigen« wolle. Damit wurden auch die zwei im Sommer im Abstand von wenigen Wochen aufgelegten Spar- und Maßhalteprogramme begründet. Vor Weihnachten, als Sarkozy den Notenverlust unausweichlich kommen sah, erklärte er in einem Interview vorbeugend: »Der Verlust der AAA-Note wäre eine zusätzliche Hürde, aber nicht unüberwindbar.«

Jetzt blieb der Präsident stumm, während Premier François Fillon und Wirtschafts- und Finanzminister François Baroin den Medien gegenüber die Konsequenzen der Herabstufung zu relativieren und herunterzuspielen versuchten. Doch das politische Beben lässt sich nicht wegreden. Präsident Sarkozy wollte nie der »Kapitän des Club Med«, also der in ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik als eher lax und unzuverlässig eingeschätzten Mittelmeerländer, werden. Er klammerte sich an die Hoffnung, weiter auf einer Stufe mit Deutschland und Bundeskanzlerin Angela Merkel zu stehen und mit ihr zusammen das europäische Führungsgespann abzugeben. Bestenfalls hätte er noch hingenommen, dass Frankreich zusammen mit Deutschland heruntergestuft wird. Doch nun gerät Frankreich und sein Präsident deutlich ins Hintertreffen.

Wenn die Rechtsregierung jetzt behauptet, die Entscheidung von S&P sei nicht durch die von Frankreich verfolgte Wirtschafts- und Sozialpolitik motiviert, sondern sei eine Folge der Krise der ganzen Eurozone, dann ist das ein untaugliches Ablenkungsmanöver. Die Ratingagentur hat in ihrer Begründung ganz eindeutig die »mangelnde Wettbewerbsfähigkeit« der französischen Wirtschaft aufs Korn genommen, und die ist eine Folge der Politik der vergangenen Jahre. Dazu gehört nicht zuletzt die hohe Staatsverschuldung. Seit 1975 wird Frankreich durch S&P bewertet, und seit 1974 hat das Land keinen ausgeglichenen Staatshaushalt mehr gehabt. Doch den höchsten Schuldenzuwachs brachten die vergangenen fünf Jahre. Das ist just die Amtszeit von Präsident Sarkozy, der mit seinen Steuergeschenken für Konzerne und Besserverdienende die Staatsfinanzen strapaziert und eine aktive Industrie- und Beschäftigungspolitik unmöglich gemacht hat.

So wird denn auch die jetzt erfolgt Herabstufung vom sozialistischen Präsidentschaftskandidaten François Hollande als »Quittung für die Politik von Sarkozy und seiner Regierung« bezeichnet. »Die Kniefälle vor den Finanzmärkten haben sich nicht ausgezahlt«, schätzt er ein. Sarkozys Spar- und Maßhaltekurs habe die Kaufkraft der Franzosen geschwächt, damit den Konsum gebremst und so den Wirtschaftsaufschwung torpediert.

Jean-Luc Mélenchon, der Kandidat der Linksfront aus Kommunistischer Partei und Partei der Linken, sagte: »Die Maßhaltepolitik, die von den Finanzmärkten gelenkt wird und bei der die Ratingagenturen als Schiedsrichter auftreten, hat sich als absolut untauglich erwiesen. Die Europäische Zentralbank muss jetzt den Staaten Kredite zu denselben Bedingungen einräumen wie den Banken. Wenn sie das nicht tut, ist das genauso wie die Entscheidung von S&P eine Kriegserklärung gegen die Finanzen Frankreichs. Unser Land sollte reagieren, indem es bis auf weiteres seine Mitgliedsbeiträge an die EU zurückhält.«


Die Ratingagentur Standard & Poor's bewertet seit Freitag bei insgesamt 16 Euroländern die Kreditwürdigkeit von neun Staaten schlechter, für sieben bleibt die Note unverändert. Frankreich und Österreich verlieren erstmals seit Start der Länderratings 1975 ihre Top-Bonität »AAA« und werden um eine Stufe auf »AA+« heruntergesetzt. Deutschland behält sein Top-Rating, und auch der Ausblick ist stabil. Nur die Slowakei hat noch einen stabilen Ausblick, für alle anderen 14 Länder ist er negativ. Italien (»BBB+«), Spanien (»A«), Portugal (»BB«) werden um zwei Stufen heruntergesetzt, die Slowakei (»A«) und Slowenien (»A+«) um eine. Zypern (»BB+«) wird um zwei, Malta (»A-«) um eine Stufe herabgesetzt. Beide Länder sind so klein, dass dies kaum eine Rolle spielt. Für Belgien (»AA«), Estland (»AA-«), Finnland (»AAA«), Irland (»BBB+«), Luxemburg (»AAA«) und die Niederlande (»AAA«) ändert sich vorerst nichts. Damit haben jetzt nur noch vier Euroländer ein »Triple-A«, weltweit sind es 13 - zählt man Hongkong, das kein eigener Staat ist, nicht hinzu. dpa

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