Finnen vor der Präsidentenwahl
Acht Bewerber um Halonens Nachfolge
Lange Zeit glaubte man keinen Gedanken an eine zweite Wahlrunde verschwenden zu müssen. Die wird erforderlich, wenn keiner der Kandidaten am Sonntag die einfache Mehrheit von 50 Prozent und einer Stimme erreicht. Das aber schien unwahrscheinlich: Zwar gab Sauli Niinistö von der konservativen Sammlungspartei seine Amtsambitionen offiziell erst im Spätherbst vorigen Jahres bekannt, doch der ehemalige Finanzminister, Parlamentspräsident, Vizechef der Europäischen Investitionsbank und Präsident des finnischen Fußballverbandes ließ seine Kandidatur gleichsam als herbeigesehnt erscheinen. Im Herbst bescheinigten ihm Meinungsumfragen noch knapp 60 Prozent Zustimmung. Inzwischen aber hat sich dieser klare Vorsprung vor den Mitbewerbern merklich reduziert. Eine Stichwahl ist nicht mehr auszuschließen.
Mit acht Bewerbern ist die Konkurrenz zahlenmäßig so groß wie noch nie. Das steht im offenkundigen Zusammenhang mit der nach den Parlamentswahlen vom April 2011 gebildeten Regierung: Die ungewöhnliche Koalition besteht aus sechs teils höchst konträren politischen Parteien. Unter dem konservativen Ministerpräsidenten Jyrki Katainen (Sammlungspartei) gehören ihr Sozialdemokraten, Grüne, Schwedische Volkspartei, Christdemokraten und Linksallianz an. Als Opposition stehen ihr die ländlich geprägte Zentrumspartei der vorherigen Ministerpräsidentin Mari Kiviniemi und die rechtspopulistischen Wahren Finnen unter Timo Soini gegenüber. Soini hatte bei den Wahlen mit einem gehörigen Schuss an demagogisch-völkischem »Finnentum« und erklärter EU-Feindlichkeit die Kräfteverhältnisse im Lande durcheinandergewirbelt. Die Wahren Finnen wurden mit fast 20 Prozent knapp hinter der Sammlungspartei und noch vor den Sozialdemokraten zweitstärkste Partei im Reichstag.
Die größten Chancen, in einer Stichwahl gegen Niinistö anzutreten, werden dem ehemaligen Wirtschaftsminister Paavo Väyrynen (Zentrumspartei), dem früheren sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Paavo Lipponen und eben Timo Soini zugebilligt. Trotz relativ großer Zustimmung bei jüngeren Wählern für die Kandidaten von Grünen und Linksallianz, Pekka Haavisto und Kulturminister Paavo Arhinmäki, dürften sich beide ebenso wie die Vertreterin der Schwedischen Volkspartei Eva Biaudet kaum Chancen ausrechnen.
Bei Wahlkampfauftritten des Linkskandidaten Arhinmäki spielten die auch in Finnland deutlich wachsenden sozialen Spanungen eine weit größere Rolle als bei seinem sozialdemokratischen Konkurrenten Lipponen. Sicherheitspolitische Themen, wie die Annäherung Finnlands an die NATO bis hin zu einer möglichen Mitgliedschaft, versuchte Arhinmäki vielfach in die Debatte zu bringen. Diese Frage hatte jedoch bei den übrigen Präsidentschaftsbewerbern untergeordneten Stellenwert. Heftigere Wortwechsel provozierte die Frage nach dem Gewicht der Minderheitssprache Schwedisch für die Zukunft des Landes und die Beherrschung des Finnlandschwedischen für Kompetenz und Glaubwürdigkeit finnischer Politiker. Foto: dpa/Daniel Barry
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