- Kommentare
- Gastkolumne
Was an der Grünen Woche nicht grün ist
Der Deutsche Bauernverband und sein Präsident Gerd Sonnleitner haben es schwer: Sie müssen auf der »Grünen Woche« für Antibiotika-Produzenten wie BAYER oder Mega-Stall-Investoren wie die Straathof-Holding viel Kritik einstecken. Das Wort »Massentierhaltung« nimmt der Bauernverbandspräsident nicht gern in den Mund, gleichwohl sollen die Verbraucher es mit deren Produkten tun.
Und Investor Straathof, der in Mecklenburg-Vorpommern 10 000 Sauen in einem Riesen-Stall als Gebärmaschinen für 250 000 Ferkel pro Jahr einpferchen will, wirbt für sein Projekt mit Arbeitsplätzen und angeblich gesunden Produktionsbedingungen. Die regionale Tourismus-Branche protestiert, sie schafft im strukturschwachen Norden erfolgreich Arbeitsplätze - noch. Das wird sich ändern, wenn Europas größte Schweinezucht-Anlage künftig dafür sorgt, dass Gäste fernbleiben.
Einige Landwirtschaftsbanken sagen schon voraus, dass der massenhafte Export von Billigfleisch »Made in Germany« keine Zukunft hat. Die Tier- und Umweltschutzverbände hierzulande sind gesellschaftlich zu starke Kräfte. Wie aber konnte es dann dazu kommen, dass Deutschland zu einem der größten Fleischexporteure der Welt wurde?
Ursache ist eine fehlgesteuerte Agrarpolitik, die mit Milliarden-Subventionen für den industriellen Agrarsektor und niedrigen Umwelt- und Tierschutzstandards immer größere Mengen an Lebensmitteln erzeugt. Diese Politik machte aus einer bäuerlich geprägten Landwirtschaft in Deutschland ein »China der Fleischproduktion«.
Und in Mega-Ställen und Schlachthöfen werden oftmals unter extrem schlechten Bedingungen mit Stundenlöhnen von lediglich 3,50 Euro die »Erfolge der Fleischindustrie« erarbeitet. Das kann und darf nicht so bleiben.
Das meiste »Billigfleisch« landet schließlich bei Discountern und Supermärkten. »Das ist aber schön billig«, denken viele, und sie blenden die Schäden der industriellen Tierhaltung aus. Dafür zahlen wir alle, als Steuerzahler und Verbraucher, wenn beispielsweise das Trinkwasser teurer wird, weil die Gülle bereits über 50 Prozent der Grundwasservorkommen verschmutzt.
Jährlich werden bei uns 60 Kilo Fleisch pro Kopf produziert. Mit dem Fleisch gelangen zunehmend antibiotika-resistente Keime in die Küchen, die Hautinfektionen auslösen oder sich im Darm der Verbraucher einnisten können. Sollten die Betroffenen dann wegen einer Erkrankung später Antibiotika benötigen, wirken diese oft nicht mehr. »Billig« kann also sogar Leben kosten.
Der Bauernverband wiegelt ab, das sei doch nichts Neues, was der BUND aufgedeckt habe, Keime gebe es überall und kranke Tiere müssten nun mal mit Antibiotika behandelt werden. Bundesagrarministerin Ilse Aigner weiß es besser, sie kennt die Gesundheitsrisiken und fördert trotzdem die Verursacher mit laschen Arzneimittelgesetzen, Subventionen und niedrigen Tierschutz- und Umweltstandards.
Brüssel wenigstens will neuerdings zaghafte Reformen. Die Bundesregierung jedoch ist noch resistent gegen den notwendigen Richtungswechsel. »Das haben wir satt!« lautet das Motto der heutigen Demonstration im Berliner Regierungsviertel. Viele werden dort sein, Sie auch?
Die Autorin Reinhild Benning ist Leiterin Agrarpolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.