Lieber Mieter statt Touristen

Senat will durch ein Zweckentfremdungsverbot Wohnraum erhalten

Bald verboten? Ferienwohnungen in der Wilhelmstraße 89
Bald verboten? Ferienwohnungen in der Wilhelmstraße 89

In Berlin wird der Wohnraum knapp. Pro Jahr drängen 15 000 Haushalte auf den Wohnungsmarkt, neu gebaut wurden bisher allerdings nur knapp 4000 Wohnungen jährlich. Der Verband Berlin Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) spricht von einem Leerstand von unter drei Prozent in den innerstädtischen Bezirken. Auch der Berliner Mieterverein (BMV) bestätigt, dass in neun von zwölf Bezirken die Nachfrage nach Wohnungen deutlich das Angebot übersteigt.

Der Berliner Mieterverein und der Bezirksverband Berlin der IG Bau fordern den Senat in einer gemeinsamen Erklärung auf, die Notbremse zu ziehen. Für Reiner Wild, Geschäftsführer des BMV, ist der Handlungsbedarf inzwischen groß. »Der Senat hat schon viel Zeit verschwendet, weil er seit Jahren Wohnraummangel ignoriert hat.« Mit einzelnen Maßnahmen sei es also nicht mehr getan. »Sich jetzt nur auf den Neubau zu konzentrieren, löst das ganze Problem nicht«, so Wild.

Zwar soll durch die Vergabe von landeseigenen Grundstücken und öffentlicher Fördermittel vor allem günstiger Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen geschaffen werden, Wild räumt aber ein, dass Einstiegsmieten von sieben bis acht Euro pro Quadratmeter selbst dann nicht mehr zu verhindern seien.

Deshalb dürfe vorhandener preiswerter Wohnraum nicht zusätzlich verknappt werden, kritisiert der BMV. Vor allem die steigende Zahl der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen und die Zweckentfremdung von Wohnraum sind ihm ein Dorn im Auge. Der BMV fordert deshalb vom Senat, dass gerade in Gegenden, in denen es kaum noch eine Durchmischung verschiedenster sozialer Gruppen gibt, striktere Regelungen für die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen gelten sollten.

Auch der Senat hat offenbar erkannt, dass zumindest in Teilen der Stadt Wohnungsmangel herrscht. Die Zweckentfremdung von Wohnraum soll endlich verboten werden. Wie Senatssprecherin Daniela Augenstein bestätigte, wird momentan an der Ausarbeitung eines entsprechenden Gesetzesentwurfs gearbeitet. Derzeit ist es noch erlaubt, Wohnungen als Anwaltskanzleien, Arztpraxen oder Ferienwohnungen zu nutzen. Im Koalitionsvertrag von SPD und CDU war vereinbart worden, das Zweckentfremdungsverbot zu prüfen. Die CDU hatte sich bisher gegen eine umfassende Regelung gewehrt. Zumindest auf eine Entscheidung zur Vermietung von Ferienwohnung konnte man sich nun einigen.

Wann genau die Vorlage im Parlament eingebracht werden soll, steht noch nicht fest, da es schwierig sei, die Regionen genau zu bestimmen, in denen Wohnraummangel herrscht, so Augenstein. Dieser Nachweis ist jedoch aufgrund eines Urteils des Oberverwaltungsgerichts von 2002 Grundvoraussetzung, um ein Verbot durchzusetzen.

Momentan soll es laut Mieterverein zwischen 12 000 und 15 000 Wohnungen in Berlin geben, die als Ferienwohnungen genutzt werden. Für Aufsehen und gleichzeitige Ernüchterung bei allen Kritikern der Zweckentfremdung hatte erst kürzlich ein Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts gesorgt. Der Bezirk Mitte scheiterte mit dem Versuch, ein Zweckentfremdungsverbot für Wohnungen in der Wilhelmstraße durchzusetzen. Laut Gericht konnte nicht stichhaltig nachgewiesen werden, dass die Hauseigentümerin einen »Beherbergungsbetrieb« führt. Die Vermieterin hatte vor Gericht darlegen können, dass die bestehenden Mietverträge jeweils zwischen drei bis acht Monaten geschlossen wurden und »hoteltypische Dienstleistungen« nicht erbracht würden. Die Mieter hätten vielmehr die Möglichkeit einer »eigenständigen Haushaltsführung«. In der Wilhelmstraße 89 sollen elf der 21 Wohnungen als Ferienwohnungen genutzt werden. Anwohner hatten sich über »Lärmbelästigung und andere negative Begleiterscheinungen« beklagt.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -