Bestrahlung und Yoga
Berliner Brustkrebskongress diskutiert integrativen Behandlungsansatz und fordert Forschung
Brustkrebs ist der häufigste tödliche Tumor bei Frauen, jede neunte Frau in Deutschland erkrankt daran, eine lange, belastende Behandlung folgt. Zunehmend suchen die Patientinnen ergänzend de Therapien jenseits der Schulmedizin - zwischen 70 und 80 Prozent der Erkrankten tun das schon jetzt. So wollen sie etwa den Nebenwirkungen von Chemotherapie und Bestrahlung begegnen, sei es durch Verfahren wie Akupunktur oder durch die Misteltherapie der anthroposophischen Medizin. Befragungen ergaben, dass die Kassen bei 50 Prozent diese Leistungen erstatten, bei weiteren 20 Prozent immerhin teilweise.
Bislang standen Onkologen und konventionelle Mediziner solchen Angeboten skeptisch gegenüber. Langsam beginnt diese Front aber zu bröckeln. Ein weiteres Zeichen dafür setzte der erste Kongress zur integrativen Therapie des Mammakarzinoms am Wochenende in Berlin. Hier diskutierten naturwissenschaftlich und naturheilkundlich orientierte Ärzte über eine integrative Onkologie. Initiativ waren dabei anthroposophische Mediziner, die etwa in den anerkannten Brustzentren Berlin Havelhöhe oder Herdecke wirken. Das Echo unter den Ärzten überraschte die Veranstalter: 290 Mediziner hatten sich für den Ärztetag angemeldet, mehr als 300 waren gekommen.
Andererseits sehen die Verfechter eines integrativen Ansatzes aber auch die Gefahren der Entwicklung. Kliniken könnten sich aus Marketinggründen gefragte Komplementärtherapien ins Angebot schreiben, den Anspruch aber nicht wirklich erfüllen. Thomas Breitkreuz, leitender Krankenhausarzt und Vorstandsmitglied der Gesellschaft anthroposophischer Ärzte Deutschlands, benennt die aktuelle Herausforderung: »Wie bekommen wir da Qualität hinein?« Das entspricht auch den Bedürfnissen der Patientinnen. Wenn sich schon die Mediziner mit den ergänzenden Therapien nicht auskennen und am Ende ihres Lateins nur zugeben, dass dies oder jenes nicht schaden könne und im Übrigen oft selbst zu finanzieren sei, wie soll sich dann ein Laie entscheiden?
Studien sind gefragt, und an verschiedenen Krebszentren laufen bereits Untersuchungen. Diese bringen ermutigende Ergebnisse, wozu auch gehört, dass eine mäßige sportliche Aktivität dreimal wöchentlich, kombiniert mit einer obst- und gemüsereichen Ernährung die Überlebensprognose nach der Behandlung um 50 Prozent verbessern kann. Empfehlungen zur Änderung des Lebensstils sind bereits in die aktuellen medizinischen Leitlinien eingegangen. Die Stärkung der Patientinnen, die Aktivierung ihrer Selbstheilungskräfte können durch Yoga, Kunsttherapien oder die Gabe von Vitaminen und Spurenelementen gefördert werden. Bei der Auswahl der für sie wichtigen ergänzenden therapeutischen Maßnahmen gewinnen die Patientinnen Autonomie zurück, die sie in der konventionellen Therapie verlieren.
Gemessen an der Nachfrage läuft die wissenschaftliche Prüfung der komplementären Angebote zu langsam. Die alleinige Finanzierung durch Stiftungsgelder, wie unter anderem Gustav J. Dobos, Internist aus Essen, beklagt, genüge nicht. Große Hersteller gibt es in dem Bereich nicht, erläutert Thomas Breitkreuz am Beispiel der Misteltherapie. Der Gesamtumsatz mit diesen Präparaten beträgt in Deutschland nur 35 Millionen Euro pro Jahr, wobei diese zu den am meisten verordneten Arzneimitteln der Krebsmedizin gehören und von der Hälfte der Tumorpatienten angewendet werden. Öffentliche Forschungsgelder sind dringend gefragt. Als Orientierung gelten die USA, wo allein die National Institutes of Health (NIH), die wichtigste Behörde biomedizinischer Forschung, jährlich 300 Millionen Dollar in komplementäre Therapien investiert. Dass die führenden Krebszentren der Vereinigten Staaten alle eine integrierte Abteilung unterhalten, hat ebenso dazu beigetragen, das Thema in Deutschland aufzuwerten.
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