Billigere Ballerei
Bürgerprotest gegen Schießplatzprojekt bei Gera
Gera/Zeitz. Eine neue Schießanlage der Bundeswehr sorgt für Empörung an der Grenze zwischen Ostthüringen und Sachsen-Anhalt. Bis zu 26 Soldaten sollen dort im Zeitzer Forst gleichzeitig trainieren können - laut Genehmigung auch in der Nacht, an Wochenenden, mit Maschinengewehren und aus fahrenden Fahrzeugen. Kostenpunkt: rund 10 Millionen Euro. »Für den Standort ist das eine hervorragende Sache«, erläutert der Kommandeur des Panzerpionierbataillons 701 in Gera, Christian Friedl. Bisher müssten die Soldaten, die etwa auf Einsätze in Kosovo und in Afghanistan vorbereitet werden, dazu lange Fahrtwege auf sich nehmen. Der Wald hingegen liegt gleich um die Ecke.
Doch die im März 2011 gegründete Bürgerinitiative »Kein Schuss im Zeitzer Forst« läuft Sturm gegen das Projekt bei Bund und Land, sammelt Unterschriften, um es zu verhindern, wie deren prominentes Mitglied, der ehemalige Oberbürgermeister von Zeitz, Dieter Kmietczyk, betont. »Wir ziehen uns aus Afghanistan zurück, die Bundeswehr wird reduziert - wozu brauchen wir da so eine Schießanlage mit 28 800 Schuss am Tag und 9600 Schuss in der Nacht? Das ist völlig absurd«, sagt er.
Das rund 2000 Hektar große Waldgebiet im Süden Sachsen-Anhalts sei zu DDR-Zeiten von der Sowjetarmee besetzt gewesen, heute nutze es zum Teil die Bundeswehr, berichtet Kmietczyk. Rund 17 000 Unterschriften seien nach 1990 in und um Zeitz für eine ausschließlich zivile Nutzung des Waldes gesammelt worden. Als OB wurde er bei einem Protestmarsch zu Ostern 1999 in Gewahrsam genommen. Die Bürgerinitiative wolle die Bundeswehr nicht abschaffen, ihr aber auch nicht den Wald überlassen - und schon gar nicht für Schießübungen.
Was sagen die Touristen?
Anwohner in Ortschaften am Zeitzer Forst haben auch Angst vor dem neuen Schießplatz, sehen ihre Lebensqualität und Gesundheit wegen des Lärms bedroht. »Rund 7000 bis 8000 Quadratmeter Wald sollen für den Schießplatz abgeholzt werden, ein Kinderspielplatz liegt nur etwa zwei, drei Kilometer Luftlinie entfernt«, sagt der parteilose Bürgermeister des 2000-Einwohner-Ortes Gutenborn, Uwe Kraneis.
Zudem sorgen sich Einwohner um die Umwelt sowie die Zukunft der Region, die mit Natur und Weinbau vor allem um Wanderer und Radtouristen wirbt. »Ich weiß nicht«, meint Kraneis, »ob da jemand spazieren gehen will, wenn im Hintergrund aus Maschinengewehren geschossen wird.« Für die Grundausbildung und die Vorbereitung auf Einsätze im Ausland sei das Schießtraining unabdingbar, betont hingegen Friedl. »Ich muss meine Soldaten aber irgendwann im scharfen Schuss ausbilden«, sagt der Oberstleutnant. »Wenn ich diese Schießausbildung hier vor Ort machen kann, dann verschafft mir das mehr Zeit für die Ausbildung, und es ist kostengünstiger.« Nach Angaben des Verteidigungsministeriums soll der Bau nach Abschluss der Ausschreibungen beginnen und etwa drei Jahre dauern.
Beruhigende Versprechung
Der Übungsplatz und die geplante Schießanlage gehören zwar zur Geraer Pionierkaserne, liegen aber zum großen Teil auf sachsen-anhaltischem Territorium. Der dortige Burgenlandkreis hat die Anlage genehmigt, ein genauer Termin für den Baubeginn steht aber laut Friedl noch nicht fest. Den Befürchtungen der Gegner hält er entgegen, dass kein Projektil die Anlage verlassen werde. Auch wenn es die Genehmigung erlaube, sei dort nicht geplant, aus fahrenden Fahrzeugen zu schießen. Dafür fehlten die baulichen Voraussetzungen. Und für die etwa 7000 Quadratmeter Wald, die gerodet werden müssen, würden Ausgleichspflanzungen vorgenommen.
Da die Anlage nicht auf Geraer Territorium gebaut wird, habe die Stadt keinen Einfluss auf deren Standort nehmen können, unterstreicht Bau- und Umweltdezernent Ramon Miller (SPD). »Wir hätten den Schießplatz als Stadt gern woanders gesehen.« Allerdings wolle er im Interesse der Einwohner in den nördlichen Ortsteilen auf Einhaltung des Lärmschutzes dringen. Gerade was das Schießen in der Nacht und am Wochenende anbelange, hoffe er, dass die Bundeswehr nicht alles ausschöpfen werde, was möglich sei.
Der jetzige Zeitzer Oberbürgermeister Volkmar Kunze (FDP) hält sich indes mit einer klaren Stellungnahme zu dem Projekt zurück, weil sich das Gebiet nicht auf den Gemarkungen der Stadt befinde. Annette Leipelt vom Naturschutzbund Sachsen-Anhalt sagt: »Wir prüfen derzeit unsere rechtlichen Möglichkeiten.«
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