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Im Fadenkreuz: die westliche Zivilisation

Gewaltwelle islamischer Terroristen in Nigeria sorgt auch die Nachbarn

  • Armin Osmanovic, Johannesburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach einer Anschlagsserie im Norden Nigerias zeigen sich Sprecher der Terrorgruppe Boko Haram offen für Friedensgespräche, andere Mitglieder wollen den bedingungslosen Kampf.

Seit Weihnachten reißt die religiös motivierte Gewalt in dem bevölkerungsreichsten Land Westafrikas nicht ab. Zuletzt wurden zwei Kasernen vor den Toren der nigerianischen Stadt Kaduna angegriffen. Zahlreiche Menschen wurden verletzt. Noch ist nicht klar, ob Boko Haram die Taten zugerechnet werden können. Am Freitag hat die Polizei aber Kabiru Sokotu gefasst, der für einen Anschlag zu Weihnachten in einer Kirche mit 43 Toten verantwortlich sein soll.

Bei Attentaten von Boko Haram sind in diesem Jahr schon 250 Menschen ums Leben gekommen. Seit dem Beginn der Gewaltakte 2009 wurden knapp 1000 Personen Opfer der Terrorgruppe. Nachdem ihr Anführer Mohammed Yusuf getötet worden war, brach die Islamistengruppe Gespräche mit den Behörden ab und begann einen Terrorfeldzug. Diejenigen Mitglieder, die nun verhandeln wollen, machen zur Voraussetzung, dass auch über die Freilassung von inhaftierten Terroristen gesprochen werde. Es scheinen sich zunehmend Flügel innerhalb der Organisation herauszubilden.

Die Nachbarländer Nigerias befürchten nun ein Übergreifen der Gewalt. Vor allem Kamerun macht sich Sorgen, in dessen Norden Boko Haram ebenfalls operieren soll. »Zu den Opfern von Boko Haram zählen Christen ebenso wie Muslime«, so der nigerianische Sozialwissenschaftler Ideafor Adibe von der Nasarawa State Universität.

Der Name Boko Haram bedeutet »Westliche Zivilisation ist Sünde«. Dorn im Auge der Mitglieder dieser schnell wachsenden Bewegung sind vor allem jene Muslime, die ihrer Ansicht nach nicht konsequent genug nach dem islamischen Gesetz leben. Boko Haram speist sich nach Meinung von Experten wie Adibe aus Enttäuschten, die sich von der Einführung islamischer Rechtsvorschriften in den Nordprovinzen Nigerias seit Ende 1999 erwartet hatten, dass eine islamisch ausgerichtete Gesellschaft entsteht. Dem Westen hat Boko Haram den Kampf angesagt, da sie die in Nigeria weit verbreitete Korruption als Ausfluss des westlichen Lebensstils ansieht.

Boko Haram erscheint nach Meinung von Sozialwissenschaftlern wie viele andere expandierende extreme religiöse Gruppen in Afrika als eine Reaktion auf eine sich durch Wirtschaftsentwicklung und Technik rasch verändernde soziale Welt, die die Traditionen und Werte der Menschen in Frage stellt. Boko-Haram-Mitglieder lehnen Darwins Evolutionstheorie genauso ab, wie die Tatsache, dass die Erde rund ist.

Die Fundamentalisten haben es im Gegensatz zu vielen anderen religiösen Gruppen geschafft, in kurzer Zeit eine große Anhängerschaft zu gewinnen. Als Mohammed Yusuf die Sekte Anfang 2002 gründete, hatte sie nur wenige hundert Mitglieder, heute sind es über 200 000. Das rasche Wachstum erklärt Adibe auch mit der Unterstützung durch lokale Machthaber, die Boko Haram für ihre eigenen politischen Ziele benutzen. So soll der frühere Gouverneur der Provinz Kano, Mallam Ibrahim Shekarau, Stipendien an Boko-Haram-Mitglieder ausgelobt haben.

Für die Regierung Nigerias ist Boko Haram eine der vielen islamistischen Gruppen, die in der Sahelregion operieren. Der Experte Abdul Raufu Mustafa von der Oxford Universität hegt kein Zweifel, dass das Phänomen religiöser Gewalt im regionalen Kontext zu betrachten sei. Schließlich haben die meisten Sahel-Länder mit islamistischen Gruppen zu kämpfen, die ganze Regionen unsicher machen und wie in Mali gemeinsam mit Banden westliche Touristen entführen. Verbindungen von Boko Karam zum Terrornetzwerk Al Qaida seien aber nicht belegt.

Die USA reagierten auf die Anschläge in Nigeria, von denen das Attentat auf die UN-Vertretung im vergangenen Jahr auch Ausländer das Leben gekostet hatte, und möglichen Verbindungen zu Al Qaida bislang sehr zurückhaltend.

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