Hertha BSC entlässt Trainer Michael Skibbe

Nach dem 0:5 beim VfB Stuttgart stellen aufgebrachte Anhänger die Mannschaft auf dem Trainingsgelände zur Rede

  • Matthias Koch
  • Lesedauer: 3 Min.
Erzwungene Diskussion: Die Spieler von Hertha BSC, hier André Mijatovic (h.l.) neben Peter Niemeyer, wurden am Sonntag von rund 200 Berliner Anhängern auf dem Trainingsgelände überrascht.
Erzwungene Diskussion: Die Spieler von Hertha BSC, hier André Mijatovic (h.l.) neben Peter Niemeyer, wurden am Sonntag von rund 200 Berliner Anhängern auf dem Trainingsgelände überrascht.

Lautlos lief die Masse dem Trainingsgelände von Hertha BSC entgegen. Die rund 200 Anhänger des abstiegsbedrohten Erstligisten bildeten am Sonntagmorgen auf der Hanns-Braun-Straße eine breite Front, bis sie die Schranke erreichten. Dort halten normalerweise Ordner Fans und Medienvertreter so lange in Schach, bis die Aktiven den Rasen betreten.

Nach dem 0:5 beim VfB Stuttgart, der fünften Pflichtspielniederlage in Folge, ist bei Hertha aber alles anders. Ein sich noch mutig entgegenstellender Ordner wurde sanft, aber bestimmt beiseite geräumt. Binnen weniger Sekunden bahnte sich der Protestzug den Weg in Richtung Geschäftsstelle und Kabine. Willkommen waren die »Besetzer« nicht, auch wenn Hertha-Sprecher Peter Bohmbach später sagte, »dass die Fans zu uns aufs Gelände gekommen sind und wir sie auch rein gelassen haben«.

In Wahrheit hatte Hertha gar keine andere Wahl. Die wenigen Ordner mussten sich zurückhalten, um nicht eine noch bedrohlichere Situation zu provozieren. Den Fans, die ihrem Unmut persönlich ans Team weitergeben wollten, fehlten zunächst die Ansprechpartner. Die Spieler waren zwar zu sehen, aber nur von hinten beim Auslaufen in Richtung Glockenturm. Eine Verfolgung wollten die Anhänger, unter denen auch einige Frauen und Mädchen waren, sich dann noch nicht zumuten. Kurzerhand stoppte der Zug am Amateurstadion und wartete 20 Minuten vor der Kabine auf die Sportler. Trainer Michael Skibbe konnte freilich nicht mehr befragt werden. Der war wie sein Assistent Edwin Boekamp schon am frühen Morgen beurlaubt worden - nur 41 Tage nach seinem ersten offiziellen Trainingstag.

Kapitän André Mijatovic zog sich dann mit einigen Spielern und den Fans unter Ausschluss der Medien in den Kuppelsaal des Olympiaparks zurück. Vor dem Einlass schien die Situation zu eskalieren, als vor allem Stürmer Änis Ben-Hatira beleidigt wurde. In der rund halbstündigen Diskussion, zu der noch acht weitere Hertha-Akteure stießen, entspannte sich die Lage aber. »Der Dialog war sehr sachlich«, sagte Hertha-Sprecher Bohmbach. Später diskutierten Spieler und Fans im noch engeren Kreis in der Geschäftsstelle weiter. Der skurrile Auftritt verlief insgesamt friedlich, allerdings wurden Medienvertreter verbal bedroht.

Um 13 Uhr sah sich dann Hertha-Manager Michael Preetz in der Lage, eine Pressekonferenz abzuhalten. »Durch die Niederlagen sind wir in eine schwierige Situation geraten. Insbesondere die Art und Weise der Niederlage in Stuttgart hat uns zum Handeln gezwungen«, sagte Preetz, der eine Mitschuld an der Krise einräumte. »Selbstverständlich hinterfrage ich mich. Wir möchten gern kontinuierlich arbeiten, aber bis zum heutigen Tag haben wir das nicht hinbekommen.«

An Rücktritt denkt Preetz nicht, obwohl er in zweieinhalb Jahren bereits den vierten Trainer verschliss. »Ich bin a) ein Kämpfer und b), keiner, der wegläuft. Und c) räumt auch nicht jeder seinen Fehler ein. Ich kann die richtigen Lehren daraus ziehen«, machte sich Preetz Mut. Beim nächsten Training am Dienstag wird wohl ein Trainer auf dem Rasen stehen, der bereits im Verein arbeitet. Die große Lösung dürfte es erst nach dem nächsten Heimspiel gegen Meister Dortmund geben.

Kommentar Seite 4

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -