Wohin führt das Sparen?

Thomas Nord über die Folgen des Fiskalvertrags / Nord, Landesvorsitzender der brandenburgischen LINKEN, ist im Bundestag Mitglied im Ausschuss für Angelegenheiten der EU

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig – Wohin führt das Sparen?

nd: Als Mitglied einer deutsch-französischen Arbeitsgruppe zu EU-Fragen konnten Sie Empfehlungen zum Umgang mit der Krise abgeben. Was ist dabei herausgekommen?
Nord: Unser Einfluss ist natürlich begrenzt. Die jetzigen Vorgänge werden durch die Regierungschefs gesteuert, weniger durch die Nationalversammlung oder den Bundestag. In der Arbeitsgruppe waren wir uns einig, dass es nicht das Ziel des Fiskalvertrags sein kann, das Europaparlament völlig aus der parlamentarischen Kontrolle herauszuhalten. Aber am Wesen des Vertrags konnten wir natürlich nicht das Geringste ändern.

Geplant sind stärkere Sanktionen gegen die EU-Staaten, die sich dem Spardiktat nur unzureichend unterwerfen. Welche Folgen hat das?
Der Fiskalvertrag ist das Durchbrechen europäischen Rechts, er ist die Aushöhlung der Demokratie in Europa und er wird die Austeritätspolitik der Bundesregierung europaweit durchsetzen. Daher ist er in seinen politischen Wirkungen verheerend.

Deutschland und Frankreich bestimmen über die Haushalte anderer europäischer Staaten. Wie ist das mit dem Haushaltsrecht der Parlamente zu vereinbaren?
Tatsächlich werden nationale Souveränitäten an eine zum Teil nebulöse und rechtlich strittige bürokratische europäische Ebene abgegeben. Das ist ein massiver Eingriff in die demokratischen Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten.

Der Fiskalvertrag verpflichtet die Länder zur Intensivierung der Sparprogramme. Ist eine Situation wie in Griechenland auch in anderen Ländern denkbar?
Richtig. Diese Haushaltspolitik wird zu Kürzungsprogrammen in allen Mitgliedsstaaten führen, und sie ist ökonomisch unsinnig, weil durch diese Austeritätspolitik das Wirtschaftswachstum gerade in den Staaten, die es am dringendsten bräuchten, abgewürgt wird. Dieser Vertrag und seine finanziellen und ökonomischen Folgen werden die Krise eher verschärfen als lösen.

Die französische Regierung hat die Finanztransaktionssteuer eingeführt.
Das wird als Garnitur mit dazugegeben, ist aber nicht Gegenstand des Vertrags.

Es wird die Notwendigkeit einer europäischen Behörde beschworen, die im Eilverfahren wirtschaftspolitische Entscheidungen trifft. Was ist davon zu halten?
Frau Merkel und Herr Sarkozy wollen die parlamentarische Kontrolle durch das Europaparlament und die nationalen Parlamente aushöhlen. Wenn eine stärkere europäische Integration auch eine engere Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik nach sich ziehen soll, dann muss sie einer strikten demokratischen Kontrolle unterliegen. Das ist gegenwärtig nicht der Fall.

Am Montag treffen sich die europäischen Finanzminister. Was ist davon zu erwarten?
Ich denke, dass dort erneut erpresserischer Druck auf die griechische Regierung ausgeübt werden soll, damit das Spardiktat noch strenger eingehalten wird, als das schon gegenwärtig der Fall ist. Die ökonomischen und sozialen Auswirkungen sind katastrophal, das kann man ja jeden Tag sehen.

Interview: Thomas Blum

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.