Werbung

Einträgliche Kungelei

Der Kampf gegen die Bestechung von Politikern genießt hierzulande keine Priorität

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach dem Rücktritt von Christian Wulff stellt sich wieder die Frage, ob es nicht strengerer Gesetze bedarf, um die Käuflichkeit von Politikern zu erschweren. Dabei steckt die Politik in einer Zwickmühle: Sie selbst soll sich strengere Regeln verordnen. Kein Wunder, dass das nicht klappt.

Leben wir bereits in einer »korrupten Republik«, wie »Stern«-Autor Hans Martin Tillack in seinem gleichnamigen Buch behauptet? Fakt ist, beim Kampf gegen die von Tillack kritisierte »einträgliche Kungelei von Politik, Bürokratie und Wirtschaft« bleibt der Gesetzgeber weit unter seinen Möglichkeiten. Und so ist es kein Wunder, wenn eine aktuelle Umfrage der Europäischen Kommission ergibt, dass 57 Prozent Prozent der Deutschen glauben, dass die Bundesrepublik anfällig für Bestechlichkeit sei. Das Misstrauen der Bürger ist nicht unbegründet: Deutschland hinkt bei der Korruptionsbekämpfung hinterher.

So mahnte LobbyControl-Geschäftsführer Ulrich Müller am Freitag: »Wir brauchen jetzt nicht nur einen neuen Präsidenten, sondern endlich strikte Regeln für den Umgang von Wirtschaft und Politik«. Schwarz-Gelb habe in den letzten Jahren bei Parteisponsoring, Lobby-Transparenz und der Offenlegung von Abgeordneten-Nebeneinkünften »mehrere Reformchancen verpasst«, so Müller, dessen Organisation sich für mehr Transparenz in der Politik einsetzt.

Gegenüber »nd« betonte Müller, dass man etwa dem Partyveranstalter Manfred Schmidt früher auf die Schliche gekommen wäre, wenn es in Deutschland ein verbindliches Lobbyistenregister gäbe. Schmidt soll den langjährigen Wulff-Vertrauten Olaf Glaesecker mit kostenlosen Urlaubsreisen bestochen haben. Viele Lobbyisten sind als Einflüsterer an der Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft tätig. Allein in Berlin sollen rund 4500 Strippenzieher tätig sein. Zwar führt der Bundestagspräsident eine sogenannte »Lobbyistenliste« mit mehr als 2150 registrierten Interessenverbänden. Die Liste erfasst aber weder Einzelpersonen noch Unternehmen oder Stiftungen.

Für Ulrich Müller liegt der »Skandal hinter dem Skandal« in der Weigerung der Bundesregierung, »strengere Regeln durchzusetzen«. Etwa beim Parteisponsoring. Seit 2010 bekannt wurde, dass man Sponsoren in Sachsen und Nordrhein-Westfalen Gespräche mit CDU-Ministerpräsidenten gegen Geld angeboten hatte, ist herzlich wenig passiert. »Durch den unzureichenden rechtlichen Rahmen fördert die Politik selbst die Entwicklung, dass der Zugang zu Politikern und Entscheidungsträgern als Treibstoff für Partys, Einladungen und Sponsoring-Aktivitäten dient«, wie Müller betonte.

Hier zeigt sich auch das grundlegende Dilemma beim Kampf gegen die Bestechung von Politikern: Sie selbst müssen diesen Kampf führen und sich Beschränkungen auferlegen. Dass dies nicht funktioniert, zeigt sich exemplarisch im Fall Wulff. So hatte dieser in seiner Zeit als niedersächsischer Landesvater die Regeln für das Sponsoring von Ministerreisen »verwässert«, wie das Nachrichtenmagazin »Stern« jüngst enthüllte. Im Jahre 2007 hatte er neue Durchführungsregeln erlassen, wonach das jeweilige Regierungsmitglied selbst entscheiden musste, »ob es sich durch ein Sponsoring dem Anschein der Befangenheit aussetzen oder sich gar befangen machen würde«. Kurz gesagt: Die Amtsträger sollten selbst beurteilen, ob sie da jemand bestechen wollte oder nicht. Somit stellte Wulff sich und seinen Ministern einen Freibrief aus.

Aber der Kampf gegen Korruption lahmt nicht nur auf Länderebene. So hat die Bundesrepublik als einziges Industrieland die UN-Konvention gegen Korruption aus dem Jahre 2003 bislang nicht umgesetzt. Dazu müsste das Gesetz zur Abgeordnetenbestechung verschärft werden. Doch die Union stellt sich quer. Erst im Januar wies man einen Entwurf der SPD zurück. »Verdächtigungen und Missverständnissen« würde man so »Tür und Tor« öffnen, entschuldigte CSU-Parlamentarier Wolfgang Götzer in der »Welt« die ablehnende Haltung seiner Fraktion.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.