Medwedjew an einem Tisch mit der APO

Aufruf zur Mitwirkung an Reformen

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Das hatte es bisher noch nicht gegeben: Russlands Präsident traf sich am Montagabend mit zehn Vertretern nicht zugelassener Parteien.

Dmitri Medwedjew habe nicht verstanden, dass der Rollentausch, den er und Premier Wladimir Putin im September vergangenen Jahres bekannt gegeben hatten, entscheidender Auslöser der jüngsten Proteste gewesen sei. Das wiederum habe die Opposition nicht verstanden. Wladimir Ryshkow, Kovorsitzender der rechtsliberalen Partei der Volksfreiheit (PARNAS), schien verzweifelt, als er Montagabend das Treffen des Präsidenten mit Vertretern nicht registrierter Parteien resümierte. Dabei war seine Partei sogar doppelt vertreten: durch Ryshkow und dessen Kollegen Boris Nemzow. Nur Expremier Michail Kasjanow, der Dritte im PARNAS-Führungstrio, war nicht geladen. Am Tisch saßen dagegen Sergej Udalzow von der Linksfront, Gennadi Selesnjow, einst Kommunist, jetzt Chef der Partei der Wiedergeburt, der Grüne Anatoli Panfilow, der Nationalist Sergej Baburin und andere, die Iwan Normalbürger bisher kaum kannte.

Medwedjew hatte wissen lassen, dass er weder über Manipulationen bei den Dumawahlen im Dezember noch über eine Wiederholung der Abstimmung reden wolle. Beides gehört zu den Kernforderungen der Protestkundgebungen in Moskau. Medwedjew bekam deren Resolutionen und dazu eine Liste mit 39 Namen von Häftlingen, die aus Sicht der Protestler aus politischen Gründen sitzen. Der Präsident sagte die Einzelprüfung jedes Falles zu. Er anerkannte überdies, dass die Duma nicht das volle Spektrum der politischen Kräfte im Lande widerspiegele, und bot der außerparlamentarischen Opposition an, sich mit eigenen Vorschlägen an der Ausgestaltung innenpolitischer Reformen zu beteiligen.

Die erste Sitzung einer entsprechenden Arbeitsgruppe unter Leitung Wjatscheslaw Wolodins, Vizechef der Präsidialverwaltung, findet bereits am heutigen Mittwoch statt. Dabei geht es um den Feinschliff von Vorlagen, mit denen die Zulassung von Parteien vereinfacht und die Wahlgesetzgebung demokratisiert wird. Was die Duma offenbar beschließen soll, bleibt allerdings hinter den Hoffnungen der Gesprächspartner Medwedjews zurück.

Zwar wären zur Gründung von Parteien künftig nur noch 500 eingeschriebene Mitglieder (statt bisher 45 000) erforderlich, doch kann das Justizministerium die Zulassung weiterhin verweigern. Die Protestbewegung dagegen will, dass Parteien über ihre Gründung nur noch informieren müssen.

Auch der Gesetzentwurf zur Direktwahl der Gouverneure lässt Wünsche offen. Zwar dürfen alle zugelassenen Parteien Kandidaten nominieren, auch Unabhängige dürfen sich bewerben. Doch bevor der Wähler seine Entscheidung trifft, darf der Präsident die Kandidatenliste »filtern«. Und eine Rückkehr zu Direktmandaten bei den Parlamentswahlen soll es ebenfalls nicht geben. Zwar sollen wieder alle 225 Wahlkreise einen eigenen Abgeordneten in die Duma entsenden. Gewählt wird er aber nicht direkt, sondern über die Regionalliste seiner jeweiligen Partei. Die andere Hälfte der Sitze wird über die föderalen Listen vergeben. Ryshkow warnte, die außerparlamentarische Opposition bestehe auf substanziellen Nachbesserungen. Dass sie damit zum Zuge kommt, hält er allerdings für wenig wahrscheinlich. Denn Medwedjew drängt auf Tempo. Er möchte seine vierjährige Amtszeit mit der eigenhändigen Unterschrift unter die Reformgesetze beenden. Zeit hat er dafür nur bis zum 6. Mai. Denn die Forderung, die Präsidentenwahl zu verschieben, hielt er für »interessant, aber zu radikal«, überdies sei es dafür zu spät.

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