Große Mehrheit für »Hilfspaket«
Bundestag billigt Griechenland-Maßnahmen / Kanzlermehrheit verfehlt
Kurz vor der Abstimmung zum Griechenland-Paket im Bundestag war es Kanzlerin Angela Merkel gelungen, Innenminister Hans-Peter Friedrich zur Räson zu bringen. Nachdem der CSU-Mann einen Ausstieg der Griechen aus der Währungsunion ins Spiel gebracht hatte, relativierte er gestern seine Aussage. »Das Rettungspaket hat nie zur Disposition gestanden«, so Friedrich. Er werde zustimmen.
496 Abgeordnete stimmten mit Ja. 90 Parlamentarier waren dagegen, fünf enthielten sich. Allein die LINKE wollte geschlossen gegen das Paket stimmen, das Hilfen in Höhe von 130 Milliarden Euro umfassen soll. Für wie viel Geld Deutschland garantieren wird, steht noch nicht genau fest, weil der Internationale Währungsfonds seinen Beitrag erst Mitte März festlegen will.
Linksfraktionschef Gregor Gysi kritisierte, dass die Lage der Griechen sich durch die aufgezwungene Sparpolitik verschlechtert habe. Diese verglich er mit dem Versailler Vertrag, in dem nach dem Ende des Ersten Weltkrieges beschlossen wurde, dass Deutschland Reparationen an die Siegermächte zahlen musste.
In Griechenland wird im sozialen Bereich massiv gekürzt. Die Griechen, die heute einen Mindestlohn von 4,38 Euro erhalten, müssen künftig mit einem Euro weniger auskommen. Das Arbeitslosengeld wird um 30 Prozent auf 322 Euro gekürzt. Zudem sollen rund 150 000 Beschäftige im öffentlichen Dienst entlassen werden. Der Chefvolkswirt der Linksfraktion, Michael Schlecht, hatte zuvor gefordert, dass der sogenannte freiwillige Schuldenschnitt höher als 53,5 Prozent ausfallen müsse. »In vergleichbaren Fällen lag dieser bei 70 bis 80 Prozent«, erklärte er.
Trotz ihrer mehrheitlichen Zustimmung zum Griechenland-Paket kritisierten auch SPD und Grüne den Kurs der Bundesregierung. Der ehemalige Finanzminister Peer Steinbrück monierte, die Maßnahmen seien nicht ausreichend und würden zu spät kommen. Der SPD-Politiker geht davon aus, dass »der Bundestag sich in absehbarer Zeit mit einem dritten Griechenland-Paket befassen wird«. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast hielt eine Lobrede auf den ehemaligen Kanzler Helmut Kohl. Dieser hätte im Unterschied zu Merkel in einer solchen Situation nicht gezögert und gezaudert, sondern gestaltet.
In ihrer Regierungserklärung kündigte die Bundeskanzlerin an, dass Deutschland den künftigen dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM schneller als geplant mit Kapital ausstatten wird. In einem ersten Schritt würden in diesem Jahr elf Milliarden Euro eingezahlt. Die zweite Hälfte von erneut elf Milliarden Euro solle 2013 folgen. Darüber wird am Donnerstag beim EU-Gipfel in Brüssel gesprochen.
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