Vertagt
Erste Verhandlungsrunde im öffentlichen Dienst ohne Ergebnis
Es wird eine harte Tarifrunde. Das sagte ver.di-Vorsitzender Frank Bsirske am Vorabend der diesjährigen Entgelt-Verhandlungen über den öffentlichen Dienst in Bund und Kommunen. Es ist eine harte Tarifrunde, könnte man nach dem Beginn der Gespräche gestern Nachmittag - wenig einfallsreich - ergänzen.
Ab kurz vor 15 Uhr tagten die Verhandlungsspitzen von Gewerkschaften und Arbeitgeberseite. Deren oberster Dienstherr, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, sagte noch kurz vor Verhandlungsbeginn, er könne nur dann ein Angebot vorlegen, wenn die Gewerkschaften ihrerseits eine »verhandlungsfähige Forderung« präsentieren würden. »6,5 Prozent sind jenseits unserer Realität«, sagte Friedrich. Durch die Blume gesagt: Ihre Forderung von insgesamt 6,5 Prozent, mindestens aber 200 Euro mehr Lohn und Gehalt für die rund zwei Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen, kann die Gewerkschaft vergessen. Darüber wird nicht einmal geredet.
Der Verhandlungsführer von dbb und tarifunion, Frank Stöhr, forderte Friedrich dagegen auf, endlich ein Angebot vorzulegen. Anders als sonst in Tarifrunden üblich, hatten die Gewerkschaften ihre Forderungen im Vorfeld präsentiert und von der Arbeitgeberseite ein Angebot bereits beim ersten Termin erwartet. Bis Ende März sind drei Verhandlungsrunden angesetzt. Sowohl ver.di und dbb und tarifunion als auch die GEW und GdP hatten eine harte Tarifrunde und die Bereitschaft zu Warnstreiks angekündigt.
Doch bis Redaktionsschluss war nicht klar, ob die Arbeitgeber von Bund und Kommunen ein Angebot vorlegen würden. Ein Beobachter vor Ort beschrieb die Stimmung als »weder aggressiv noch besonders harmonisch«, sondern »sehr konzentriert«. Nach mehrstündigen Verhandlungen setzten sich beiden Seiten intern zusammen und wollten am Abend weiter zusammen beraten.
Ver.di-Vorsitzender Frank Bsirske hatte am Donnerstagmorgen noch einmal die Forderung verteidigt. Es sei an der Zeit für eine deutliche Lohnerhöhung. »Die nächsten Milliarden für uns, nicht nur für die Banken«, sagte Bsirske im ARD-Morgenmagazin am Donnerstag. Deutschland müsse aufhören ein »Niedrigsteuerland« bei der tatsächlichen Besteuerung von Unternehmensgewinnen und Kapital zu sein. Überdies würde eine Besteuerung von großen Erbschaften und Vermögen die alleine dem Durchschnitt in der Europäischen Union entspräche, genug Geld in die Kassen bringen, um die Lohnerhöhungen zu finanzieren. Darum dürfe man nicht über Gebührenerhöhungen diskutieren. »Da ist genug drin, um die Gehälter zu bezahlen«, sagte Bsirske.
Mit 6,5 Prozent mehr Geld fordert auch die IG Metall in der anstehenden Metall & Elektro-Tarifrunde. Die IG BCE will in der laufenden Chemierunde sechs Prozent erstreiten. Nach der Zurückhaltung in den letzten Jahren wollen die Gewerkschaften jetzt wieder Lohnerhöhungen, die deutlich über dem Inflationsausgleich liegen.
Der öffentliche Dienst hatte in den letzten Jahren besonders unter Personalkürzungen, Arbeitszeitverlängerungen und Verzicht auf Weihanchts- und Urlaubsgeld zu leiden. In den nächsten zehn Jahren stehen altersbedingt rund 700 000 Neueinstellungen an, argumentiert dbb beamtenbund. Der öffentliche Dienst müsse mit der Privatwirtschaft konkurrenzfähig bleiben, ansonsten verschärfe sich der bereits bestehende Fachkräftemangel noch, sagte dbb-Vorsitzender Peter Heesen in den letzten Wochen immer wieder. Nullrunden könne sich das Land nicht leisten. Das Tarifergebnis in den nun begonnenen Verhandlungen wird dann für die Beamtinnen und Beamten bei Bund und Kommunen übernommen.
Die letzte Tarifrunde 2010 endete nach Warnstreiks und einem Schlichterspruch mit insgesamt 2,3 Prozent mehr Lohn und Gehalt und einer zwölfmonatigen Übernahme für die Beschäftigten. In diesem Jahr geht es indes um eine reine Entgelttarifrunde.
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