Jeder Vierte erhält nur Niedriglohn

Arbeitsmarktforscher dringen auf gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 2 Min.
Studie enthüllt: Acht Millionen Menschen in Deutschland werden mit einem Niedriglohn von weniger als 9,15 Euro brutto abgespeist.

Deutschland ist eine Dumpinglohn-Republik: Wie die »Süddeutsche Zeitung« am Mittwoch berichtete, stieg die Zahl der Niedriglohnempfänger zwischen 1995 und 2010 um mehr als 2,3 Millionen auf mittlerweile acht Millionen. Die Zeitung beruft sich auf eine Studie des Instituts für Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen. Demnach verdienen etwa acht Millionen Menschen weniger als zwei Drittel des mittleren Stundenlohns von 13,73 Euro. Ab dieser Schwelle, die derzeit bei 9,15 Euro liegt, beginnt für die Forscher des IAQ der Niedriglohnbereich.

Die Stundenlöhne vieler Betroffener liegen aber weit unter dieser Grenze. So kamen die Niedrigverdiener im Westen auf 6,68 Euro, während im Osten gar nur 6,52 Euro gezahlt wurden. Insgesamt erhielten mehr als 4,1 Millionen Menschen weniger als sieben Euro, gut 2,5 Millionen weniger als sechs Euro und 1,4 Millionen bekamen sogar weniger als fünf Euro.

Die Studie belegt zudem, dass die Hälfte der Niedriglöhner Vollzeit arbeitete. Somit schuften beinahe 800 000 Beschäftigte den ganzen Tag für weniger als sechs Euro in der Stunde. So ist es kein Wunder, dass ihr Bruttogehalt am Monatsende weniger als 1000 Euro beträgt. Die Lohndrückerei trifft dabei keinesfalls nur ungelernte Arbeitskräfte. So ergaben die Untersuchungen des IAQ, dass die meisten der Betroffenen einen Beruf erlernt hatten. Insbesondere Minijobber auf 400-Euro-Basis laufen Gefahr, weit unter die Niedriglohnschwelle von 9,15 Euro zu rutschen. Laut Studie wuchs die Schar der Unterbezahlten vor allem in den alten Bundesländern. Hier wurde in den vergangenen 15 Jahren ein Anstieg um 68 Prozent verzeichnet. Im Osten waren es nur drei Prozent. Seit 2007 hat sich der Anteil der Niedriglöhner an der Gesamtzahl der Beschäftigten kaum verändert: Er liegt derzeit bei 23 Prozent.

Die IAQ-Studie beruht auf Daten des sozioökonomischen Panels, für das alljährlich 12 000 Haushalte in Deutschland befragt werden. Erstmals berücksichtigen die Wissenschaftler dabei auch Schüler, Studenten und Rentner mit einem Niedriglohn. Dies ist nicht ganz unumstritten, arbeiten doch viele von ihnen häufig nur als Nebenjobber. So erhöht sich die Gesamtzahl der Niedrigverdiener um knapp 500 000. Die IAQ-Forscher verweisen darauf, dass jeder fünfte Beschäftigte von einem gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro profitieren würde. In Ostdeutschland sogar jeder Dritte. Allerdings müsste eine solche Untergrenze für alle Branchen und Beschäftigtengruppen gelten, so die Studienautorin Claudia Weinkopf.

Im Bundesarbeitsministerium wollte man gestern »keine Dramatik« erkennen. Ministeriumssprecher Jens Flosdorff betonte gegenüber der Nachrichtenagentur dpa, dass es den Zuwachs vor allem in den Jahren vor 2007 gegeben habe. Zwischen 1995 und 2010 sei zudem die Zahl der Erwerbstätigen von 37,8 auf 40,6 Millionen gewachsen.

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