Gewinner und Verlierer der Krise
Hermannus Pfeiffer erklärt in seinem neuen Buch die Ursachen für den Finanzmarktkollaps - und zeigt Lösungen auf
Es gibt nur wenige Bücher, die so präzise die seit gut vier Jahren tobende weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise analysieren und Alternativen aufzeigen wie »Der profitable Irrsinn« vom Hamburger Wirtschaftswissenschaftler, Finanzjournalisten und »nd«-Autoren Hermannus Pfeiffer. Er nennt die Ursachen der Krise und bleibt nicht oberflächlich an Symptomen hängen. Zudem sind die 17 Kapitel eine holistische Kapitalismuskritik, wenn Pfeiffer zu Recht die »drei Todsünden im modernen Kapitalismus« benennt: »zu viel Reichtum, zu viele Finanzgeschäfte und zu hohe und kurzfristige Profitziele«. Die Finanzmärkte, genauer 29 Banken und mächtige Versicherungsgesellschaften, wurden unter dem seit Mitte der 1970er Jahre exekutierten Umverteilungsneoliberalismus die neuen Herrscher der Welt. Hinzu kämen, so Pfeiffer, 147 transnationale Konzerne, die einen Großteil der Weltwirtschaft dominieren und Regierungen ihre Profitinteressen aufzwingen. Dazu senkten die Konzerne die Löhne beziehungsweise die realen Lohnsteigerungen unter die Produktivitätsraten und die Politik senkte die Steuern auf Profit sowie Vermögen zu Lasten der Lohn- und der indirekten Verbrauchssteuern. Es wurde also doppelt von unten nach oben umverteilt und gleichzeitig wurden die Finanzmärkte von einer neoliberal denkenden Politikerelite dereguliert.
Im Bankensektor spielte der klassische Kredit eine immer geringere Rolle im Vergleich zur Kapitalanlage. Schließlich suchten die Vermögenden profitable Anlagen, die es aber immer weniger in der Realwirtschaft gibt. Was nur logisch ist, wenn auf Grund der Umverteilung Kaufkraft und damit Nachfrage nach Gütern und Diensten ausfällt. Dann kommt es zu dem »Irrsinn«, wie Pfeiffer aufzeigt, dass »Geld Geld gebären soll« und dies möglichst mit einer Profitrate von 25 Prozent plus x. Das Investmentbanking und der aktionärsorientierte Shareholder-Value-Ansatz beherrschten immer mehr das global gewordene Geldgeschäft und die Spekulation lief völlig aus dem Ruder, so dass heute sogar Wetten auf Lebensmittel abgeschlossen werden, schreibt Pfeiffer in seinem auch für Nicht-Ökonomen verständlichen Buch.
Die durch Umverteilung aufgeblähte »Geldökonomie« verlangte immer mehr Schuldner, die das überschüssige Geld der Vermögenden als Kredit nachfragen. In den USA, aber auch in Spanien und Irland setzte man dabei auf Immobilien. Am Ende bekam selbst der »drittklassige« Schuldner einen Kredit. Da die Immobilienpreise stiegen und stiegen, schien jedes Darlehen sich durch den »Wertzuwachs« wie von selbst zu finanzieren. Bis die Blase 2007 platzte und die schwerste Wirtschaftskrise seit 1929 auslöste. »Dass die US-amerikanische Immobilienkrise keine nationale Angelegenheit blieb, sondern sofort auf Europa übergriff, lag daran, dass die überbewerteten US-Immobilienkredite von Banken massenhaft als Wertpapiere ›verbrieft‹ und in alle Welt verkauft worden waren.«
Die herrschende Politik reagierte weltweit, trotz neoliberaler Ausrichtung, richtig mit einem nie zuvor vollzogenen keynesianischen »deficit spending«, mit »Rettungsschirmen« und einer expansiver Geldpolitik. Dies erhöhte die Staatsverschuldung, die jetzt zum Beispiel in Griechenland zum Problem wurde. Pfeiffer gibt hierauf eine Antwort: einen »demokratisierten Markt« in Europa, der die verselbstständigten Finanzmärkte auflöst und die Realwirtschaft ausbaut. Dazu seien eine rigide Steuer- und Finanzpolitik notwendig, die »vor allem Arbeit und auch Leistung schonen sowie Kapital, Vermögen und Einkommen einer produktiven Verwendung zuführen«.
Hermannus Pfeiffer: Der profitable Irrsinn. Was auf den Finanzmärkten geschieht und wer dabei gewinnt, Ch. Links Verlag, Berlin. 256 Seiten,16,90 Euro.
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