Ausnahmen für Großverbraucher
Studienautorin Sarah Rieseberg: Kosten der Energiewende sind ungleich verteilt
nd. Was genau haben Sie in Ihrer Studie mit dem Titel »Befreiungen der energieintensiven Industrie in Deutschland von Energieabgaben« untersucht?
Rieseberg. In Deutschland und in der EU wurden Politikinstrumente etabliert, die den Verbrauch von Umweltressourcen und klimaschädliche Emissionen mit einem »Preis« versehen. Die Preissteigerung für Energie, die dadurch ausgelöst wird, soll einen Anreiz zum sparsamen Umgang mit der Ressource Energie geben. Was bereits bekannt war: Sie gelten nicht für alle Verbraucher im gleichen Maße. Haushalte und Kleinverbraucher zahlen alle Abgaben und Steuern. Viele Betriebe des Produzierenden Gewerbes aber genießen Ausnahmen und Erleichterungen. Dazu gab es bisher aber kaum konkrete Zahlen.
Was haben Sie herausgefunden?
Die Kosten der »Energiewende« sind eindeutig ungleich verteilt. Ob Ökosteuer, Netzentgelte, EEG-Umlage oder Emissionshandel - überall sieht der Gesetzgeber Befreiungen oder Ermäßigungen für die energieintensive Industrie vor. Diese Entlastungen werden für 2012 zusammengerechnet rund neun Milliarden Euro betragen. 2010 und 2011 waren es insgesamt über 16 Milliarden Euro. Die Bürde der »Energiewende« tragen private Haushalte, das Gewerbe und die nicht-energieintensive Industrie. Gleichzeitig verlieren die öffentlichen Haushalte Milliarden Euro an Einnahmen, den größten Teil davon durch Sonderbehandlungen bei der Ökosteuer.
Was heißt das also für die Masse der nicht-privilegierten Verbraucher?
Die Mehrbelastung für Haushalte, aber auch für kleinere Industriebetriebe durch die Großindustrie-Sonderregelungen beträgt in 2012 unseren Berechnungen zufolge 0,7 Cent pro Kilowattstunde. Das würde sich im laufenden Jahr also auf insgesamt 2,7 Milliarden Euro summieren. Rund zwei Drittel der Entlastung gehen auf Kosten des Bundes, circa 6,5 Milliarden Euro. Die Industrieprivilegien sind demnach de facto eine Subvention und werden dem Steuerzahler neben der gestiegenen Stromrechnung zusätzlich aufgebürdet. Dabei handelt es sich einmal um 4,7 Milliarden verschenkte Einnahmen aus der Ökosteuer, die in die Rentenkasse gehen könnten, und 1,4 Milliarden an verschenkten Verschmutzungsrechten aus dem CO2-Zertifikatehandel. Dabei sind das Einnahmen und Maßnahmen, die für eine nachhaltige Entwicklung sehr wichtig wären.
Begründet wird die Bevorzugung stets damit, Energiewende und hohe Strompreise seien eine Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Industrien ...
Die Wettbewerbsfähigkeit bestimmter Produktionsprozesse hängt sicher auch von Strompreisen ab, etwa bei Industriegasen. Die Debatte wird aber völlig undifferenziert geführt, »die« Industrie gibt es nicht. Eine Prüfung der Wettbewerbsgefährdung ist nach jetziger Gesetzeslage nicht vorgesehen. Stattdessen gibt es Pauschalbefreiungen für hohe Energieintensität oder hohen Verbrauch. Die Ausnahmeregelungen sind inzwischen ähnlich kompliziert wie das Steuerrecht. Ohne die konkrete Stromrechnung aber, die kein Unternehmen preisgibt, ist kaum überprüfbar, wie viel Unternehmen an Abgaben zahlen. Da das gesamte Produzierende Gewerbe Ausnahmen bei der Ökosteuer geltend machen kann, sollte zumindest das kritisch hinterfragt werden. Weil wissenschaftlich nicht nachprüfbar ist, wie die Realität von Badewannenhersteller M. aus N. tatsächlich aussieht, erlaubt solche Intransparenz darum vor allem eines: Populismus.
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