Hürdenlauf verbieten
Die Diskussion über ein Verbot der NPD ist in Fahrt - das Verfahren jedoch noch lange nicht in Sicht
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt ist dafür. Ihr Parteifreund und innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl, nicht so. Der neue Bundespräsident Joachim Gauck sieht es eher skeptisch - ein erneutes Verbotsverfahren gegen die neonazistische NPD.
Nach dem Hick-Hack darum, ob es möglich oder doch nicht zu gefährlich sei, dass die Verfassungsschutzämter auf ihre V-Leute in den Vorständen der NPD verzichten, steht nun ein neues Stück auf dem Spielplan: das wilde Spekulieren über die Aussichten, Dauer, Verhältnismäßigkeit usw. des Verbotsverfahrens.
Dass es natürlich möglich ist die V-Leute - vom VS bezahlte Nazis - »abzuschalten«, wie es zur Zeit so oft genannt wird, wird sich am Donnerstag zeigen. Dann will genau das die Innenministerkonferenz in Berlin beschließen, samt ihrer konservativen Mitglieder, die sich bisher mit Händen und Füßen dagegen gewehrt hatten. Ab April soll es soweit sein, erklärte Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU), der auch Vorsitzender der Bund-Länder-Arbeitsgruppe ist, die ein Verbot prüfen soll.
Scheint diese Hürde also nun zunächst überwunden, werden sogleich neue vermeintliche Hindernisse präsentiert. So sagte Uhl der »Mitteldeutschen Zeitung«: »Die Haupthürde ist die Prüfung der Verhältnismäßigkeit des NPD-Verbots durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.« Dieser werde nach der Bedrohung, die von der NPD ausgehe, fragen. Und diese sieht Uhl skeptisch, da die NPD bei Bundestagswahlen nur einmal mehr als ein Prozent bekommen habe. »Und was bedeutungslos ist, kann keine Bedrohung sein.«
Auch Wolfgang Bosbach (CDU), Vorsitzender des Bundestags-Innenausschusses, kommt mit diesem Argument daher: »Die größte prozessuale Hürde ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Denn die NPD hat ja eher blamable Ergebnisse erzielt. Der Europäische Gerichtshof könnte also zu dem Schluss kommen, dass die NPD nur eine untergeordnete Rolle spielt und ein Verbot unverhältnismäßig wäre.« Der »Welt« sagte Stahlknecht, ein Verfahren könne bis zu fünf Jahre dauern. Bevor es jedoch soweit kommt, wolle man seriös und juristisch professionell prüfen lassen, ob das Beweismaterial gegen die NPD für einen Verbotsantrag reicht.
Laut »Spiegel« gibt es zudem einen Geheimbericht, demzufolge das Bundesverfassungsgericht die Offenlegung der Klarnamen von V-Leuten verlangen könnte, was einige Innenminister der Länder dem Blatt zufolge unter allen Umständen verhindern wollen. Zitiert wird Uwe Schünemann (CDU), Innenminister Niedersachsens: »Klarnamen werden in Karlsruhe unter keinen Umständen preisgegeben.« Gleiches gilt für Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU): »Verdeckte Quellen können wir nicht offenlegen.«
Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA), eine der größten Befürworterinnen eines NPD-Verbots, kritisiert diese erneute Diskussion um mögliche neue Hürden. »Die sich immer wieder reflexhaft wiederholende, populistisch aufbereitete Pessimismus-Angst-Debatte zum NPD-Verbot von Teilen der Politik und Medien, schadet der parlamentarischen Demokratie«, so die Berliner VVN-BdA. Für Donnerstag ab 9 Uhr ruft die Vereinigung anlässlich der Sitzung der Innenminister zu einer Mahnwache gegenüber dem Bundesratsgebäude auf.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.