Ich habe noch was zu beweisen

Berlins Volleyball-Olympiasieger Scott Touzinsky fordert Serienmeister Friedrichshafen

  • Lesedauer: 5 Min.
Volleyball-Olympiasieger SCOTT TOUZINSKY versucht ab heute, in den Halbfinal-Play-offs zur deutschen Meisterschaft mit den Berlin Volleys den VfB Friedrichshafen aufzuhalten. Der 29-jährige US-Amerikaner erzählte OLIVER HÄNDLER, wie er den Serienmeister knacken will, warum er nach Berlin zurückkam und weshalb Olympia in London noch weit weg ist.

nd: Herr Touzinsky, vor dem heutigen Duell sprachen Sie davon, dem VfB einen großen Kampf liefern und für die eine oder andere Überraschung sorgen zu wollen. Das klingt nicht nach typisch amerikanischem Selbstbewusstsein.
Touzinsky: Kein deutsches Volleyballteam fährt nach Friedrichshafen und sagt, es ist Favorit. Sie haben siebenmal in Folge die Meisterschaft gewonnen! Trotzdem sind wir selbstbewusst, denn wir haben eine wirklich großartige Mannschaft, in der die Chemie stimmt. Beim letzten Heimspiel haben wir 2:1 nach Sätzen geführt und hatten die große Chance zu gewinnen. Wir hatten sie am Rand einer Niederlage, und sie mussten uns schon selbst bezwingen. Das haben wir nicht für sie übernommen.

Berlin muss mindestens einmal in Friedrichshafen gewinnen, um ins Finale einzuziehen. Dort konnte die Mannschaft aber nur 6 von 41 Duellen gewinnen, seit über fünf Jahren keins mehr. Was macht es so schwer, in dieser Halle zu bestehen?
Hoffentlich sind es heute Abend 7 von 42! Aber vielen Dank für die Statistik. Ich hatte auch das Gefühl, dass Friedrichshafen zu Hause ewig nicht verloren hat. Warum, weiß ich leider immer noch nicht. Vielleicht liegt es an der Halle, vielleicht an der Atmosphäre, vielleicht aber auch nur am psychologischen Faktor, dass jede Mannschaft dort schon vorher denkt, dass ein Sieg kaum möglich ist. Das ist ein Riesenvorteil für Friedrichshafen.

Was wird denn der Schlüssel sein, damit ein Sieg diesmal doch möglich wird?
Wir müssen konstant auf hohem Niveau spielen und den VfB mit unserem Aufschlag unter Druck setzen. Viele Teams verschlagen dort eine Menge Angaben, obwohl sie nicht mal mit Risiko gespielt werden. Wir müssen viel riskieren, lieber drei Zentimeter ins Aus schlagen als ins Netz. Wer ins Netz spielt, kann den Ball auch gleich unten durch kullern. Bei knappen Bällen an der Linie muss Friedrichshafen dagegen viele schwere Entscheidungen treffen, von denen einige falsch sein können.

Also Sind Sie doch zuversichtlich?
Natürlich. Ich weiß, dass unsere Mannschaft alles hat, was nötig ist, um zu gewinnen. Außerdem spricht die Statistik nicht nur gegen uns. Die Friedrichshafener spüren mindestens genauso viel Druck. Jeder erwartet doch von ihnen, dass sie die Serien bestätigen und uns besiegen.

Sie wechselten im Sommer nach Puerto Rico, gewannen die Meisterschaft und kehrten wieder nach Berlin zurück. Warum?
Ich hatte das Gefühl, dass ich hier noch etwas zu beweisen habe. Im vergangenen Jahr war ich oft verletzt. Wir kamen zwar ins Finale, aber ich dachte: Wenn ich zu 100 Prozent fit gewesen wäre, hätten wir es sogar gewinnen können. Ich schätze, ich wollte unserem Manager Kaweh Niroomand beweisen, dass das Geld für mich nicht verschwendet war. Ich hatte bessere Angebote als das der Volleys, aber ich wollte hierher zurück.

Ist Ihre Familie auch in Berlin?
Ja, meine Frau und mein Sohn waren vorher in Berlin, sind die vier Monate mit nach Puerto Rico gekommen und jetzt wieder hier. Auch das war ein Grund für Berlin. Hier dauerte die Eingewöhnung mitten in der Saison nicht zwei Monate, sondern nur zwei Tage. Und einen guten Kinderarzt hatten wir auch schon.

Wie gut ist Ihr Deutsch?
Sagen wir: Es wird langsam besser. Vor meinem ersten Aufenthalt in Berlin spielte ich in der Türkei. Also war mein Türkisch ganz gut.

Ist doch ganz nützlich in Berlin.
Stimmt, als ich in Wedding wohnte, hat das sehr geholfen. Als ich dann auch endlich etwas Deutsch lernte, ging es schon nach Puerto Rico. Spanisch war schon immer meine beste Fremdsprache, und ich vergaß all mein Deutsch wieder. Im ersten Monat zurück in Berlin habe ich die ganze Zeit nur Spanisch gedacht, so dass mein Deutsch erst langsam wiederkommt. Ich hoffe, ich bleibe jetzt ein paar Jahre hier, damit es besser wird. Aber keine Sorge, die Volleyballfachbegriffe habe ich längst drauf.

Sie wurden 2008 Olympiasieger in Peking. Beim Turnier 2012 in London sind die USA aber noch nicht dabei. Das Qualifikationsturnier im Mai findet ausgerechnet in ihrer Heimhalle aus Collegezeiten, im kalifornischen Long Beach, statt. Ein Grund, in diesem Jahr noch härter zu trainieren?
Ehrlich gesagt ist die Qualifikation für das Nationalteam jedes Jahr das reinste Schleifprogramm. Dass ich Olympiasieger wurde, war ein tolles Erlebnis, aber es bedeutet nicht, dass ich wieder ins Team komme. Nach dem Ende der Saison mache ich fünf Tage Pause, dann fliege ich rüber, und das harte Training beginnt von Neuem. In den USA muss ich mich jeden Tag den Trainern neu beweisen, jeden Tag mein bestes Volleyball spielen. Ich hoffe, ich bin dabei. Aber eine Garantie gibt es nicht.

Was ist denn derzeit das größere Ziel: Olympia oder die deutsche Meisterschaft?
In meinem ersten Auslandsjahr in Griechenland habe ich mir das Kreuzband gerissen. Vorher habe ich große Vierjahrespläne gemacht, wie viel Geld ich doch verdienen könnte. Seit dieser schweren Verletzung denke ich wirklich immer nur ans nächste Spiel. Das Match in Friedrichshafen ist das einzige, das ich kontrollieren kann.

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