Explosive Wolke über dem Meer
Das Leck im Elgin-Gasfeld in der Nordsee ist weder gefunden noch gestopft
Von einer »kochenden See« und einer »sich ausbreitenden Gaswolke« berichten evakuierte Arbeiter von einer der Bohrplattformen des Elgin-Gasfeldes in der Nordsee. Weil das Gas-Luft-Gemisch hochexplosiv ist, können sich im Moment weder Schiffe noch Helikopter der Bohrplattform nähern. Deshalb gibt es auch keine aktuellen Bilder von der Situation vor Ort. Auch der Shell-Konzern hat vier umliegende Ölplattformen teilevakuiert. Die Elgin wurde vollständig geräumt. Das ist ein in der Geschichte der Öl- und Gasförderung in der Nordsee bisher einmaliger Vorgang.
Die Gewerkschaften UNITE und RMT fordern nun die vollständige Evakuierung und Stilllegung aller Plattformen in einem Fünf-Meilen-Radius um das havarierte Bohrloch. Die Sicherheit der Beschäftigten müsse vor kommerziellen Interessen stehen, so die Gewerkschaften in Stellungnahmen.
Derweil gerät die Informationspolitik des französischen Total Konzerns, dem die Elgin-Plattform gehört, in die Kritik. Erst am Dienstagabend gab ein Firmensprecher zu, dass die so genannte »Fackel« auf der Plattform immer noch brennt. Der Sprecher erklärte gegenüber dem Fernsehsender »Channel 4«, dies habe für die Firma keine Priorität gehabt, zumal es viel zu gefährlich wäre, Arbeiter zur Plattform zu schicken, um die Flamme zu löschen. Total zeigte sich überzeugt, dass die Fackel sich schnell ausbrennen werde. Außerdem sei sie so angebracht, dass bei der derzeitigen Windrichtung das Risiko einer Entzündung des aus dem Leck strömenden Gas sehr gering sei.
Für die Gewerkschaft RMT ist der Fakt der brennenden Fackel »jenseits der Vorstellungskraft.« Die Gewerkschaft sieht ein stetig anwachsendes Explosionsrisiko auf der Plattform. Rund um die Plattform wurde eine Zwei-Meilen-Verbotszone für Schiffe und Drei-Meilen-Verbotszone für Flugzeuge errichtet. Immerhin genüge ein Funke, um eine Katastrophe herbeizuführen, so die RMT.
Weil die Plattform nicht erreicht werden kann gestalten sich Sicherungsarbeiten als schwierig bis unmöglich. Total hat Spezialfeuerwehrleute aus den USA angefordert, diese werden aber derzeit wenig ausrichten können. Total hofft auf ein baldiges Versiegen der angezapften Gasquelle und bezeichnet diese als »nicht produktiv«. Allerdings seien Vorhersagen darüber keine »exakte Wissenschaft« so ein Total-Sprecher gegenüber der schottischen Presse.
Obwohl es sich hier um einen Unfall mit Katastrophenpotenzial handelt, hat die britische Presse im Gegensatz zu deutschsprachigen Medien bislang sehr wenig darüber berichtet. Erst am Dienstag fanden sich einige Artikel, wenn auch sehr versteckt.
Eine Lösung des Problems kann sich hinziehen. Im Gespräch ist eine Dauer von sechs Monaten. Im Elgin-Gasfeld wurde sehr tief gebohrt, zum Teil bis zu fünf Kilometer unter dem Meeresgrund. Der Druck des austretenden Gases ist sehr hoch. Experten diskutieren die Möglichkeit, einer Entlastungsbohrung, die das verbleibende Gas direkt an der Quelle ableitet. Alternativ könnte man den Austrittsbereich verstopfen. Aber auch dies dürfte sich schwierig gestalten, da die üblichen Prozeduren für diesen Vorgang hier scheinbar nicht anwendbar sind. Zuerst muss allerdings die Quelle des Gasaustrittes gefunden werden. Dazu soll ein Roboter-U-Boot vor Ort gebracht werden.
Unterschiedliche Auffassungen gibt es über die Folgeschäden für die Umwelt. Das Gasgemisch wird als tödlich für Menschen, Tiere und Pflanzen beschrieben. Gleichzeitig behauptet der Total Konzern, dass es nach dem Verschwinden des Gases in die Atmosphäre keine weiteren Nachwirkungen geben würde.
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