Der Streit um das Kindergeld ist noch lange nicht entschieden

Jobben im Studium (Teil 1)

  • Lesedauer: 5 Min.
In einer vierteiligen Serie »Jobben im Studium« stellt unser Autor JOACHIM HOLSTEIN, Berater für studentische Steuerfragen beim AStA der Universität Hamburg, zu Beginn des Sommersemesters die wichtigsten neuen und alten Regelungen vor, die berufstätige Studierende beachten müssen. Im ersten Teil geht es um das Kindergeld.

Nach wie vor müssen viele Studierende Lebensunterhalt und Studienkosten zumindest teilweise durch eigene Arbeit finanzieren. Das ist schon wegen der Belastung des Studiums ärgerlich genug. Doppelt ärgerlich wird es aber, wenn wegen des Jobs womöglich das BAföG gekürzt oder die Krankenversicherung teurer wird und das Finanzamt einen Teil des Lohnes einkassieren will.

Kindergeld im Erststudium unabhängig vom Einkommen

Immerhin gibt es mit Beginn des Jahres 2012 eine deutliche Verbesserung beim Kindergeld: Für Studierende im Erststudium wird es unabhängig vom eigenem Einkommen gezahlt. Das ist ein radikaler Bruch mit einer für viele Studierende und ihre Eltern nachteiligen Regelung, denn zuvor wurde das Kindergeld vollständig gestrichen, wenn das Jahreseinkommen der Studierenden nach Abzug von Sozialabgaben und Studienkosten die Freigrenze von zuletzt 8004 Euro auch nur um einen einzigen Euro überstieg.

Nun also kam die Kehrtwende des Gesetzgebers. Der für Kindergeld, Kinderfreibeträge und andere Vergünstigungen zuständige § 32 des Einkommensteuergesetzes (EStG) beschränkt den Ausschluss vom Kindergeld nunmehr auf wenige, in Absatz 4 Satz 2 definierte Fälle:

»Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung und eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 [bis zum 25. Geburtstag und in Ausbildung oder auf einen Ausbildungsplatz wartend/d.A.] nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.«

Dies bedeutet, dass junge Menschen, die ihren 25. Geburtstag noch vor sich haben und ihre erste Berufsausbildung oder ihr erstes Studium absolvieren, grundsätzlich Kindergeld erhalten, ohne dass ihr eigenes Einkommen von Belang ist. Auch während einer Zweitausbildung vor dem 25. Geburtstag ist nicht das Einkommen maßgebend, sondern der zeitliche Aufwand oder der Status der Tätigkeit: Studentenjobs mit bis zu 20 Stunden wöchentlich und Minijobs sollen das Kindergeld nicht gefährden, ebenso wenig eine bezahlte Ausbildung wie beispielsweise eine Lehre oder ein Studium an einer Hochschule für öffentliche Verwaltung, für das man wie ein Beamtenanwärter bezahlt wird.

Erneute Kehrtwende ist zu befürchten

Allerdings hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) am 7. Dezember 2011 ein Schreiben herausgebracht, das den Gesetzestext anders auslegt. Da solche BMF-Schreiben für die Finanzverwaltung bindend sind, ist zu befürchten, dass Studierende mit abgeschlossener Lehre Probleme bekommen werden, insbesondere wenn sie mehrere oder zeitlich unregelmäßige Jobs haben.

Im Gesetz heißt es, dass es Einschränkungen beim Kindergeld nur »nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung und eines Erststudiums« geben kann. Das BMF geht in seinem Schreiben nicht von »und«, sondern von »oder« aus und will bei Studierenden mit abgeschlossener Lehre (sowie bei Azubis mit Hochschulabschluss) die Arbeitszeit oder den Status der Erwerbstätigkeit prüfen. Das BMF ignoriert, dass zwar im Gesetzesentwurf (Bundestagsdrucksache 17/5125) an dieser Stelle ein »oder« stand, dass dieses aber im weiteren Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens durch »und« ersetzt wurde. Offensichtlich hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, bei jungen Menschen unter 25 erst dann das Kindergeld infrage zu stellen, wenn diese sowohl eine berufliche Ausbildung als auch ein akademisches Studium erfolgreich abgeschlossen haben. Hier ist eine Klarstellung nötig, die hoffentlich nicht erst vom Bundesverfassungsgericht kommen muss.

Zweitens definiert das BMF einen »unschädlichen« Studentenjob anders als die Sozialversicherung, wo die 20-Stunden-Grenze nur während der Vorlesungszeit montags bis freitags und tagsüber gilt. Abend- und Nachtschichten, Wochenendarbeit und Mehrarbeit in den Semesterferien sind für die studentische Kranken- und Pflegeversicherung unschädlich (dazu mehr im nächsten Ratgeber).

Das BMF macht aber einerseits keine Unterschiede bei den Tageszeiten der Arbeitsstunden und will andererseits das Kindergeld zeitweilig streichen, wenn mehr als zwei Monate lang mehr als 20 Stunden pro Woche gearbeitet wurde; in Randnummer 24 des BMF-Schreibens heißt es:

»Eine vorübergehende (höchstens 2 Monate andauernde) Ausweitung der Beschäftigung auf mehr als 20 Stunden ist unbeachtlich, wenn während des Zeitraumes innerhalb eines Kalenderjahres, in dem einer der Grundtatbestände des § 32 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 EStG erfüllt ist, die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit nicht mehr als 20 Stunden beträgt.«

Das BMF will also zunächst prüfen, ob während desjenigen Zeitraums eines Kalenderjahres, in dem grundsätzlich Kindergeld bezogen werden könnte (noch nicht 25 Jahre alt, in Ausbildung oder auf eine Ausbildung wartend) im Durchschnitt maximal 20 Stunden pro Woche gearbeitet wurde. Falls durchschnittlich mehr gearbeitet wurde, entfällt das Kindergeld für den gesamten Zeitraum. Falls man diese Grenze im Durchschnitt nicht überschreitet, wird in einem zweiten Schritt geprüft, ob man sie womöglich zeitweise überschritten hat. Sollte dies mehr als zwei Monate lang der Fall gewesen sein, wird das Kindergeld für diese Monate gestrichen. Das BMF erklärt, dass es nur für Kalendermonate mit voller Mehrarbeit gestrichen werden soll; bei einer 30-Stunden-Woche vom 20. Juli bis zum 31. Oktober soll das Kindergeld nur für August bis Oktober gestrichen, für Juli hingegen gezahlt werden.

Verfahrenweise der Finanzämter völlig offen

Offen gelassen hat das BMF, wie die Finanzämter nunmehr verfahren sollen, wenn der Ü-20-Job etwa vom 20. Juli bis zum 22. September dauert. Das sind zwar mehr als zwei Monate, aber der einzige volle Kalendermonat ist der August. Auch hier steht eine rechtliche Klarstellung noch aus.

Bis zur Klärung sollten die Betroffenen, wenn es sich denn einrichten lässt, ihre Arbeitszeit so gestalten, dass das Finanzamt nicht etwa wegen eines Arbeitstages oder einer Wochenstunde zu viel das Kindergeld für einen oder mehrere Monate streicht.

Teil 2 in der nächsten Woche: Was ist bei der Sozialversicherung zu beachten?

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