• Reise
  • 10. nd-Lesergeschichten-Wettbewerb

Von einem Teppich, der im Duo kam

  • Lesedauer: 3 Min.
Teppiche in Hülle und Fülle – schon mancher kaufte, obwohl er es gar nicht vorhatte.
Teppiche in Hülle und Fülle – schon mancher kaufte, obwohl er es gar nicht vorhatte.

Der Berliner Kabarettist Martin Buchholz attestierte uns »Ehemaligen« nach der Wende: »Bisher hatten die DDR-Bürger eine Weltanschauung - jetzt dürfen sie sich die Welt anschauen!«

Und das taten wir dann auch. Je nach Geldbeutel ging weit in die Welt hinaus oder eben nur mal kurz zu den westlichen Nachbarn. Weniger aufwendig, trotzdem nicht uninteressant. So führte uns anno 1992 eine Reise nach Marokko in die interessante Hafenstadt Tanger mit ihren zahlreichen Souks und einer schier unüberschaubaren Medina. Gleich beim ersten Spaziergang fing uns unmittelbar nach Verlassen des Hotels ein Guide mit der freundlichen Einladung zu einem »Stadtbummel« ab. Wir ließen uns - vorerst etwas unwillig - auf ihn ein. Und das war, alles in allem gesehen, nicht ganz so gut.

In der Medina angekommen, steuerte er mit uns auf ein beachtliches Gebäude zu. Durch offensichtlich geheime Klopfzeichen verursacht, wurde unverzüglich geöffnet. Man wusste also: Ein Schlepper kommt! Wir traten ein. Uns empfing ein riesiges zweistöckiges Teppichlager. Hinter uns wurde das hölzerne Portal nicht nur ge-, sondern gleich auch noch verschlossen. Wir saßen also in der Falle! Damit wurde uns blitzartig klar: Wir waren auf Gedeih und Verderb den Teppichverkäufern ausgeliefert. Nur ein Kauf konnte uns retten! Man hatte schon davon gehört, dass manch ein Tourist - nicht nur in Marokko - nicht mehr lebend aus einer solchen Medina herauskam. Jeder kann sich also leicht vorstellen, wie mulmig uns war.

Vorerst wurden wir mit dem obligatorischen Glas Pfefferminztee bewirtet. Es folgte die Vorführung mehrere wunderschöner Exemplare orientalischer Teppiche. Eine bunte Vielfalt tat sich vor uns auf. Dann Teppichkauf! Wir suchten uns - unserem Geschmack entsprechend - ein wirklich ansprechendes Stück aus. Die Sofortmitnahme war aufgrund der Größe nicht möglich. Außerdem hatten wir noch ein umfangreiches touristisches Programm durch Marokko zu bewältigen. Es hätte Transportprobleme gegeben. Deshalb entschieden wir, den Teppich, nachdem wir ihn auf der Rückseite signiert hatten, nachschicken lassen. Alles in allem hatten wir doch am Ende der »Stadtführung« ein recht gutes Gefühl und wollten uns - außer dem ständig erforderlichen Bakschisch - mit einem gemeinsamen Schnäpschen von unserem Guide verabschieden. Aber das ging nicht - es war gerade Fastenzeit!

Es vergingen Wochen. Von einem Teppich war weit und breit nichts zu sehen. Erst nachdem wir eine schriftliche »Beschwerde« unter Beilage aller Belege und eines von uns geschossenen Fotos des Teppichs samt Verkäufer an die Gendarmerie nach Tanger geschickt hatten, kam nach einer gewissen Zeit nicht nur unser Teppich, sondern noch ein Zweiter doppelt so großer per Flieger bei uns an. Offensichtlich waren wir preislich auch noch »übers Ohr gehauen« worden.

Und so wurde zu guter Letzt von unserem Unterwegssein ein bleibendes Andenken gerettet, mit hinüber in unseren Alltag genommen. Wir erfreuen uns täglich daran und erinnern uns, dass wir - wenn auch auf etwas sonderbare Weise - eine unmittelbare erste und besondere Bekanntschaft mit einem islamischen Land gemacht hatten.

Dieter Lämpe
15366 Hoppegarten

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