Hip-Hop kontra Bundeswehr
Hamburger Linksjugend startet Aktion gegen Rekrutenwerbung an Schulen
Mit fetzigen Beats wurden gestern am Morgen die Schüler der Oberstufe des Helene-Lange-Gymnasiums und des Kaiser-Friedrich-Ufer-Gymnasiums in Hamburg-Eimsbüttel zur ersten Stunde empfangen. »Du bist das Ziel, denn sie wissen, auf dem Arbeitsmarkt geht grad nicht viel«, warnt Hip-Hop-Performer Master Al die Schüler in seinem Rap vor den verlockenden Angeboten der Bundeswehr. »Es gibt keinen sauberen Krieg, nur Profit bestimmt das Aufmarschgebiet.«
Zwei Mitglieder der Hamburger Linksjugend, welche die Proteste organisiert hat, halten ein Transparent mit der Aufschrift »Bundeswehr raus aus den Schulen!«. Fünf ihrer Genossen verteilen Broschüren mit dem Titel »Das ist ein Befehl: Kein Werben fürs Sterben!«
Viele der Gymnasiasten bleiben stehen und greifen zu. »Es ist einfach nicht korrekt, dass die Bundeswehr in die Schulen kommt«, sagt Estelle, bevor sie zum Unterricht eilt. »Ich finde die Aktion sehr gut. Die sollte es vor jeder Schule geben«, wünscht sich Gita, die in die zehnte Klasse geht. »Krieg bedeutet immer brutale Gewalt. Wenn wir in Frieden leben wollen, müssen wir auch dafür kämpfen.« Anlass der Demonstration mit Live-Musik war die Veröffentlichung einer Gratis-CD mit »antimilitaristischem hiphop«, die auch vor der Schule verteilt wurde. Neben Master Al haben auch die Rapper Holger Burner, Albino, Chefket, Boykott und Callya dazu Titel beigesteuert. In ihren Texten geht es um die Grausamkeit militärischer Gewalt, die Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung und um posttraumatische Belastungsstörungen der Soldaten.
Notlagen ausgenutzt
Die Musiker fordern nicht nur die sofortige Beendigung aller deutscher Kriegseinsätze und der Rüstungsexporte, sondern auch die Abschaffung der Bundeswehr. Sie thematisieren den sich radikalisierenden »Klassenkampf von oben«, dem der Krieg ihrer Ansicht nach dient. Die CD ist nicht nur ein Zeichen gegen den Militarismus - es ist sozusagen ein gereimtes antikapitalistisches Manifest. Die Bundeswehr, so lautet eine zentrale These, nutze die Notlage junger Menschen aus, um sie mit dem Versprechen von Bildungs- und Karrierechancen als Kanonenfutter in die neoimperialistischen Kriege zu schicken, in die Deutschland zunehmend verwickelt sei.
»Gegen Kriegspropaganda hilft nur Aufklärung durch Kritik«, meint Linksjugend-Sprecherin Christin Bernhold. »Mit unserer Initiative wollen wir darauf aufmerksam machen, dass es den Jugendoffizieren der Bundeswehr bei ihren Schulbesuchen nicht um politische Bildung, sondern um Werbung geht.« Als Berufs- und Freiwilligenarmee müsse die Bundeswehr raffiniertere Taktiken anwenden, um Rekruten zu finden, als zu den Zeiten, in denen die Wehrpflicht noch nicht ausgesetzt war. »Wir wollen nicht, dass weitere Menschen für die Kriege der Bundesregierung sterben müssen, die im Interesse der Wirtschaft und der deutschen Großmachtpolitik geführt werden«, erklärt Bernhold, warum der Linksjugend-Protest weit über die Kritik an den PR-Maßnahmen der Bundeswehr hinausgeht.
»Ich mache aus tiefster Überzeugung mit. Antiimperialismus und Antimilitarismus sind unverzichtbare Bestandteile eines besseren Systems, das geschaffen werden muss«, begründet Master Al alias Alexis seine Teilnahme an dem Projekt, für das er keinerlei Gage erhält. Der 23-jährige Studierende der Politik- und Wirtschaftswissenschaften macht seit neun Jahren Musik.
CD kann bestellt werden
Vor vier Jahren hat Alexis angefangen, politische Texte zu dichten. »Zwar schreiben die Sieger die Geschichte, aber Rap ist der Journalismus der Straße«, erklärt er die Wirkmacht des Sprechgesangs, der bereits Ende der 1960er Jahre in den US-amerikanischen Gettos entstanden war.
Die CD mit einem umfangreichen Informationspaket kann gegen die Zahlung der Portokosten und einer Spende bei der Linksjugend in Hamburg bestellt werden. Die Songs stehen auch auf ihrer Homepage unter www.solid-hamburg.org zum kostenlosen Download zur Verfügung.
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