Roma-Hetze in der Schweiz?

Romani Rose ist Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma

  • Lesedauer: 3 Min.

nd: Herr Rose, Ihr Verband hat gegen die Schweizer »Weltwoche« Anzeige erstattet. Warum?
Rose: Kurz vor Ostern ist ein Artikel mit der Überschrift »Die Roma kommen: Raubzüge in die Schweiz« erschienen. Auf dem Titelblatt war ein Foto mit einem Romakind abgebildet, das eine Pistole in der Hand hat und auf den Betrachter zielt. Das ist ein Vorgang, der die bisherige Hetze gegenüber unserer Minderheit in den Schatten stellt und die Erinnerung an Darstellungen gegenüber der Minderheit aus der Zeit von 1933 bis 1945 mit dem »Stürmer« oder dem »Völkischen Beobachter« weckt.

Ein heftiger Vorwurf. Glauben Sie nicht, dass Sie mit dieser Kritik über das Ziel hinausschießen?
Nein. Wer die Geschichte kennt, und wir kennen sie, denn 500 000 Sinti und Roma waren Opfer der NS-Rassenideologie, weiß, dass dieser Hinweis zulässig ist. Im Dritten Reich wurden Sinti und Roma in ähnlicher Art und Weise kriminalisiert.

Was soll mit diesem Zeitungsartikel bezweckt werden?
Die »Weltwoche« war eine bürgerlich-liberale Zeitung. Die neuen Eigentümer wollen offenbar mit diesen Thesen rechts-populistische Politik machen und befördern den Rassismus. Dadurch sollen rechtsstaatliche Grenzen und Werte, die wir entwickelt haben, nach rechts verschoben werden. Ich bin froh, dass es mehrere Anzeigen gegen die Zeitung gibt. Jetzt wird man sehen, wie die Gerichte damit umgehen. Sie müssen ein deutliches Signal setzen.

Wird in Deutschland über Sinti und Roma ähnlich berichtet wie in der »Weltwoche«?
In dieser Form, mit diesem Titelbild, das wäre so in Deutschland vielleicht der rechten »National-Zeitung« zuzutrauen. Das kann man ignorieren, diese Leserschaft wird sich mit rationalen Argumenten nicht von ihrer Meinung abbringen lassen. Aber in der demokratischen, dem Rechtsstaat verpflichteten Presse kann ich mich nicht an einen derart rassistischen Artikel erinnern.

Die »Weltwoche« spricht von einem »Kriminaltourismus in die Schweiz«, von »Roma-Banden«, die Einbrüche begehen und Prostitution betreiben. Sind diese Vorwürfe aus der Luft gegriffen?
Das es solche Vorfälle gibt, will ich nicht abstreiten, aber die Zahl der erfolgten Verurteilungen ist mit dem Ausmaß der öffentlichen Vorwürfe nicht in Einklang zu bringen. Entscheidend ist, dass in einem Rechtsstaat nur der Einzelne sein Fehlverhalten zu verantworten hat. Wenn beispielsweise Bulgaren, Rumänen oder Ungarn zu uns kommen und gegen das Gesetz verstoßen, dann sind sie als Bürger dieser Staaten vor Gericht zu stellen und nicht als Sinti und Roma. Eine Zuordnung nach ethnischer Zugehörigkeit heißt, ein bestimmtes Verhalten an Rasse, Blut oder Abstammung festzumachen. Mit der rassistischen Minderheiten-Kennzeichnung werden pauschale Zuordnungen vorgenommen, die nicht zulässig sind.

Wo ist die Grenze für legitime Meinungsäußerungen erreicht?
Dort, wo man zum Beispiel Kriminalität zu einem Merkmal einer Volksgruppe oder einer Religion macht. Es gibt das rechtsstaatliche Interesse, Straftäter zu verurteilen. Das kann man aber nicht dadurch tun, dass sie anhand einer Ethnie oder sonstigen Gruppenzugehörigkeit beschrieben werden.

Fragen: Christian Klemm

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