Wackliger Waffenstillstand
Vereinbarte Feuerpause in Syrien am ersten Tag im Wesentlichen befolgt
Nach 13 Monaten der Unruhen und Kämpfe mit Tausenden von Opfern, nach immer stärkerer Verhärtung der Fronten und massiver Einmischung der Nachbarstaaten, vor allem der Türkei, in den innersyrischen Konflikt standen die Chancen nicht sehr gut, dass eine Deeskalation Aussicht auf Erfolg haben könnte. Weder in den westlichen Staaten noch im arabischen Raum rechnete man den offiziellen Verlautbarungen zufolge damit, dass ab Donnerstag tatsächlich die Waffen schweigen. Dennoch war dies bis zum frühen Abend im Wesentlichen der Fall. Die vom Sonderbotschafter der Arabischen Liga und der UNO, Kofi Annan, ausgehandelte Feuerpause hielt.
Nach Angaben des aus dem türkischen Exil heraus operierenden Syrischen Nationalrats wurden in der Region Hama zwei Personen getötet. In den Regionen Aleppo, Daraa und Homs soll es »Dutzende« Festnahmen von Regimegegnern gegeben haben. Das syrische Fernsehen berichtete, dass »bei einem Angriff einer terroristischen Gruppe« in Aleppo ein Offizier getötet worden sei. Da das offizielle Syrien die bewaffnete Opposition weiterhin ausschließlich als »Kriminelle« oder »Terroristen« zur Kenntnis nimmt, handelte es sich vermutlich um eine Attacke der »Freien Syrischen Armee«, also desertierter Armeeangehöriger.
Gestern bekannt gewordene Äußerungen der beteiligten Seiten machen allerdings nicht viel Hoffnung, dass sich die Lage weiter stabilisiert. Der in Paris residierende Chef des Syrischen Nationalrats, Burhan Ghaliun, rief die Syrer zu Demonstrationen auf, um die »Versprechen der Regierung« zu testen. Sollte dies nicht möglich sein, habe die Waffenruhe »keinerlei Bedeutung«. Da sich auf der anderen Seite erst zeigen muss, wie diszipliniert die Kommandeure der syrischen Streitkräfte handeln, steht der Waffenstillstand auf ziemlich wackligen Füßen, solange er nicht von neutralen internationalen Beobachtern kontrolliert wird. Letzteres wird von Annan gefordert und von China sowie Russland unterstützt.
Beide Staaten wenden sich außerdem dagegen, bereits jetzt von einem Scheitern der Annan-Mission zu sprechen und damit deren Misserfolg herbeizureden. Der Appell richtete sich auch an die syrische Regierung. Diese bot gestern Deserteuren, »an deren Händen kein Blut klebt«, eine Amnestie an.
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