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Ist der Große Bruder ein Wuppertaler?
Kritik an EU-Überwachungsprojekt INDECT wächst
Schon der Name verheißt wenig Gutes: Das Kürzel INDECT steht für »Intelligent information system supporting observation, searching and detection for security of citizens in urban environment«, zu Deutsch in etwa: Intelligentes Informationssystem zur Unterstützung von Observation, Fahndung und Erkennung für die Sicherheit von Bürgern in großstädtischem Umfeld.
Kritiker monieren: Hier sollen Bilder von Überwachungskameras und Drohnen mit Daten aus Polizeidatenbanken und Sozialen Netzwerken abgeglichen werden. Die Überwachung der Bürger würde perfektioniert. Derweil beklagte der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar vor einem halben Jahr einen ausgeprägten Mangel an Transparenz: »Ich bin über die Details der Forschungsprojekte nicht informiert, unsere Versuche dort genauere Informationen zu erlangen, sind leider nicht sonderlich erfolgreich gewesen.«
Seit 2009 wird an INDECT geforscht – an 18 Standorten und unter Federführung der Technischen Universität Krakau. Dabei arbeiten öffentliche Forschungseinrichtungen zusammen mit Behörden und privaten Unternehmen. INDECT ist Teil des 1,4 Milliarden Euro schweren 7. EU – Forschungsrahmenprogramms, das nach eigenen Angaben die »Sicherheit der Bürger erhöhen« will. In Deutschland daran beteiligt ist, neben drei Software-Firmen, die Bergische Universität Wuppertal.
Dort werden unter anderem Softwaretools zur Analyse von Videobildern entwickelt. Sie können für die Analyse von menschlichen Bewegungen und von Gefahrenbereichen genutzt werden, nach Hochschulangaben betrifft letzteres vor allem Einbahnstraßen, Bahnsteige und Stausituationen auf Autobahnen. Andere Tools sollen Daten künftig aus mehreren Quellen »fusionieren«, um so die Dreidimensionalität einer Szenerie berücksichtigen zu können.
Letztlich geschieht das in einem breiteren Rahmen: Zu den INDECT-Zielen zählt
die »Entwicklung von Softwaretools zur Analyse der von Videokameras
gelieferten Videodaten, um Gefahrensituationen bzw. kriminelle Handlungen
frühzeitig erkennen zu können«. So solle die Arbeit des Überwachungspersonals von U-Bahnhöfen erleichtert werden: »Es wird lediglich der gewaltige Datenwust vorverarbeitet und signifikant reduziert, um so das Überwachungspersonal von ermüdenden Routinetätigkeiten zu entlasten und den Personaleinsatz in Grenzen zu halten.«
All das geht zumindest aus einer Projektbeschreibung hervor, die Professor Anton Kummert dem »nd« zur Verfügung stellte. Kummert, der einen Lehrstuhl für Elektro- und Nachrichtentechnik inne hat, betont Transparenz und ethische Kontrolle der Wuppertaler INDECT-Forschung: So sei eigens eine Ethik-Kommission etabliert worden, die über die Einhaltung rechtlicher Rahmen-Bedingungen wacht. Forschungsergebnisse seien im Internet frei zugänglich. Auch wurden Kritikern wie dem Bundesdatenschutzbeauftragen Peter Schaar Zugang zu allen relevanten Dokumenten und Informationen angeboten.
Doch für Kritiker der Wuppertaler INDECT-Forschungen sind das eher Nebenaspekte. Schon 2009 forderte das Studierendenparlament der Schwebebahnstadt ein »Ende der Beteiligung an INDECT« – und nominierte bald darauf das INDECT-Projekt für den »Big Brother Award 2010«. Nach dem Ausstieg der polnischen Polizei aus dem Projekt, fordern die beiden LINKE-Politiker Andrej Hunko und Anna Conrads: »Auch deutsche Teilnehmer müssen ihre Mitarbeit infrage stellen«, so der Bundestagsabgeordnete und die Innenpolitikexpertin.
Der polnische Rückzug sei, entgegen Kommentaren von EU-Oberen, durchaus nicht »hysterisch«, »sondern hochpolitisch und prinzipiell richtig«, argumentiert Hunko. Allerdings stelle er keine generelle Absage an den Einsatz automatisierter Werkzeuge zur Kontrolle abweichenden Verhaltens dar.
Conrads forderte eine Stellungnahme der Bergischen Universität Wuppertal – und letztlich »ein Ende der Forschung an dem Bevölkerungsscanner«. »Die Diskussion über die Beteiligung deutscher Projektpartner an INDECT ist jetzt überfällig«, so Conrads.
Professor Kummert reagiert darauf lapidar: INDECT habe doch gar nicht bei der Fußball-Europameisterschaft in Polen (und der Ukraine) eingesetzt werden sollen. »Diese Behauptung«, so der Wuppertaler Forscher, »ist natürlich nicht korrekt«. Mag sein. Aber auch das ist wieder nur ein Nebenaspekt. Denn wer Einbahnstraßen, Bahnsteige und Staus automatisiert zu überwachen vermag, der kann diese Technik auch in anderen Bereichen nutzen. Und missbrauchen.
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