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Armeewerbung für Mädchen?
Ralf Willinger ist Kinderrechtsexperte beim Kinderhilfswerk »terre des hommes«
nd: Herr Willinger, heute findet der Mädchenzukunftstag »Girls’Day« statt, bei dem junge Frauen in typische Männerberufe reinschnuppern können. Die Bundeswehr ist dabei einer der größten Anbieter von Veranstaltungen: 2011 nahmen über 6700 Mädchen an über 210 Girls’Day-Veranstaltungen der Armee teil. Ärgert Sie das?
Willinger: Uns ärgert, dass die Bundeswehr mit diesen Veranstaltungen gezielt sehr junge Mädchen anspricht und einseitige Werbung betreibt. Kinder sollten unserer Meinung nach nicht für Militär und Krieg begeistert werden. Sie sollten gewaltfreie Möglichkeiten der Konfliktlösung kennenlernen. Wir befürworten zwar die Auseinandersetzung mit den Themen Bundeswehr und Militäreinsätze. Doch diese muss kontrovers verlaufen. Auch die Schattenseiten des Soldatenberufs wie das gezielte Töten anderer Menschen, eigene Traumatisierung, Verletzung oder sogar Tod müssten bei Veranstaltungen der Bundeswehr mit Kindern offen angesprochen werden. Auch Eltern und Militärkritiker müssen grundsätzlich beteiligt und angehört werden.
Seit Jahren wirbt die Bundeswehr beim Girls’Day ohne jede kritische Gegenstimme. Diese einseitige Militärwerbung ist nicht im Sinne der Kinder. Und sie ist unvereinbar mit der von Deutschland unterzeichneten UN-Kinderrechtskonvention. Diese garantiert Kindern unter 18 Jahren besonderen Schutz und besondere Rechte.
Die Bundeswehr hat sich immerhin verpflichtet, nur Schülerinnen der 9. und 10. Klasse zu ihren Veranstaltungen zuzulassen.
Das ist aus unserer Sicht viel zu jung. In der neunten Klasse sind die Mädchen erst 14 Jahre alt. Kinder in diesem Alter sind in einer Selbstfindungsphase, ihr Selbstbewusstsein ist oft nicht sehr ausgeprägt. Ihre Meinung ist durch geschickte, einseitige Information leicht manipulierbar. Außerdem hält sich die Bundeswehr nicht einmal an die angesprochene Selbstverpflichtung. In den letzten Jahren kam es regelmäßig vor, dass schon Elf- oder Zwölfjährige bei den Girls’Day-Veranstaltungen der Bundeswehr waren.
Bei einem »Tag der offenen Tür« kam es 2011 zum Skandal, weil Kinder an Waffen gelassen wurden. Auch beim anstehenden Girls’Day stehen Besichtigungen von Marineschiffen sowie Vorstellungen von Panzern und Kampfjets auf dem Programm. Hat die Bundeswehr nichts gelernt?
Die Bundeswehr hat aus der öffentlichen Kritik gelernt - aber nicht so, wie sie es sollte. Statt die besonderen Schutzrechte der Kinder zu respektieren, wurde der Erlass, der den Umgang mit Waffen bei öffentlichen Veranstaltungen regelt, gelockert. Bisher durften unter 18-Jährige nicht an Handfeuerwaffen oder militärisches Großgerät gelassen werden. Nach der Änderung dürfen Kinder und Jugendliche nur nicht mehr an Waffen im Sinne des Waffengesetzes, aber darin kommen Kriegswaffen wie Panzer oder Kampfflugzeuge gar nicht vor. Die jungen Leute dürfen heute also keine Pistole mehr von der Bundeswehr in die Hand gedrückt bekommen, wenn sie in einen Panzer steigen, ist das aber okay.
So können junge Menschen weiter über ihre Begeisterung für Technik geworben werden. Das ist der Bundeswehr wichtig, denn sie hat nach der Aussetzung der Wehrpflicht Schwierigkeiten, neue Soldaten zu finden. Aber die Bundeswehr muss ihre Werbung unbedingt auf Erwachsene beschränken.
Fragen: Michael Schulze von Glaßer
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