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Europas Dickhäuter
»Weltweites Entsetzen«, titelte ein Nachrichtenportal, »Der spanische König erschießt Elefanten im zukünftigen Mega-Schutzgebiet KaZa«. Entsetzen? Weltweites gar? Weil ein alternder Monarch im fernen Botsuana ein Tier abknallt, dessen Population gängiger Propaganda zufolge mittlerweile immer weniger beherrschbar wird? In der Tat rieben sich die meisten Medien weit mehr an den finanziellen Dimensionen des exotischen Jagdausflugs als an dem damit verbundenen Frevel in Sachen Tierschutz. Wer 44 000 Euro in der afrikanischen Savanne verballert, während Millionen unterm Euro-Rettungsschirm darben, macht sich nicht gerade der Volksnähe verdächtig. Da blieb denn das obligatorische Heben des Tierschutz-Zeigefingers Gruppen wie der Naturschutzorganisation WWF vorbehalten, deren spanischer Sektion der schießfreudige Juan Carlos allen Ernstes als Ehrenpräsident vorsteht.
Inzwischen hat sich der König in aller Form bei seinen Untertanen entschuldigt, was ihm, wie die Madrider Zeitung »El País« betonte, »zur Ehre« gereicht. Ohnehin hat der wackere Weidmann, wie die »Frankfurter Rundschau« völlig richtig bemerkte, »nichts Verbotenes getan«.
Mit letzterer Absolution funktioniert die (Miss)Behandlung von Tieren durch Menschen auch in Europa bestens.
Das betrifft nicht nur den Stierkampf, den der Regent im Palacio Real »aber natürlich« mag, wie er auf die entsprechende Frage eines Journalisten erklärte.
Es betrifft vor allem die rund fünf Milliarden Tiere (ohne Wassertiere), die in der EU jedes Jahr für den Verzehr geschlachtet werden. Darunter sind beispielsweise Hunderte Millionen Schweine - die Elefanten an Intelligenz und sozialem Verhalten nicht nachstehen. Ungezählte von ihnen kommen unbetäubt in Zerstückelungsmaschinen. Nicht etwa aus religiösen Gründen, sondern weil Akkord und Profit immer mehr auf das Tempo der Massentötungen drücken.
Was am Ende dabei herauskommt, sieht nicht nur blutig, sondern mitunter albern-makaber aus. Wie beispielsweise die Wurstscheiben mit Gesicht, die in den Theken der Kaufhallen ausliegen und wohl vor allem kindliche Kunden locken sollen. Der Fotograf Michael Schmidt hat dieses dümmliche Dokument europäischer Schlachthauskultur aufs Bild gebannt. Damit wirbt das Museum Morsbroich in Leverkusen derzeit für Schmidts Ausstellung »Lebensmittel«. Fünf Jahre bereiste der Künstler den Kontinent, lichtete das Werden und Wachsen des Essbaren ab und lotete damit nicht nur die Dimensionen, sondern auch die Perversionen dieser Großproduktionen aus.
Schmidt zeigt, er kommentiert nicht. Die Meinung mag sich der Betrachter bilden - auch von solchen Stätten sogenannter Tierproduktion, die gemeinhin nur Orte des Schreckens genannt werden können. »Wir verurteilen Menschen, die Tieren gegenüber grausam sind, als herzlos«, schreibt die Kulturwissenschaftlerin Hanna Rheinz in ihrem ebenso berührenden wie aufrührenden Buch »Zwischen Streichelzoo und Schlachthof«. »Wenn Reisende derlei in anderen Kulturkreisen sehen, ist die Empörung über diese unkultivierten, primitiven Gebräuche groß. Dabei werden Grausamkeiten ganz anderer Dimensionen mitten unter uns geduldet.«
In der Tat: Die finalen Produkte solcher Grausamkeiten werden ungeachtet frei zugänglicher Informationen von den meisten Menschen nicht als solche wahrgenommen - egal, ob es das geistlose Wurstgesicht im Kühlregal oder das Bœuf Stroganoff im Gourmettempel ist.
Angesichts der Königsschelte postulierte die spanische Regierung, dem Monarchen gebühre doch »tiefer Respekt«. Albert Schweitzer forderte einst ebenfalls Ehrfurcht. Vor dem Leben. Womit er auch das von Elefanten meinte. Und das von Milliarden »Nutztieren«.
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