Methusalems größerer Fehler
Die Nürburgring-Affäre könnte den pfälzischen Ministerpräsidenten zu Fall bringen
Seit 18 Jahren steht Kurt Beck (SPD) als Ministerpräsident an der Spitze der rheinland-pfälzischen Landesregierung; er ist gleichsam der Methusalem unter den Länderchefs. Niemand schien ihn daran hindern zu können, nach der knapp gewonnenen Landtagswahl im vergangenen Jahr bis zum Ende der Legislaturperiode 2016 im Amt zu bleiben.
Dann aber zeigte sich, dass der bullige Pfälzer (63) die Finanzierung des Nürburgrings allem Anschein nach unterschätzt hatte - die Rennstrecke samt Vergnügungsstätten in der Eifel droht zum Millionengrab zu werden. Beck meinte kürzlich auf die Frage, ob er das Nürburgring-Projekt als größeren oder kleineren Fehler ansieht: »Das war sicher ein größerer Fehler.« Solche kleinlaut anmutenden Eingeständnisse kamen in der Vergangenheit bei dem vor Selbstbewusstsein strotzenden Regierungschef nicht vor. Hat Beck erkannt, dass ihm der Nürburgring in den letzten Jahren seiner Amtszeit nur noch Probleme bereiten und sein Ansehen beschädigen könnte?
Die CDU-Landesvorsitzende Julia Klöckner meint süffisant: »Das hat Herr Beck nun wirklich nicht verdient - erst wurde er in Berlin abserviert, und jetzt geht es den Kronprinzen und -prinzessinnen im Land nicht schnell genug, ihn wegzumobben.« Klöckner spürt ein Jahr nach der Landtagswahl Aufwind, obwohl die CDU wenig dazu beigetragen hat und vor allem von den Machtkämpfen der Landes-SPD profitiert.
Einer Umfrage zufolge käme die CDU auf 37 und die SPD auf 36 Prozent. Bei der Wahl 2011 hatten die Sozialdemokraten mit 35,7 Prozent knapp vor den Christdemokraten (35,2 Prozent) gelegen. Die Grünen liegen bei 15 Prozent (2011: 15,4 Prozent). Die FDP rutscht weiter ab und kommt derzeit nur noch auf zwei Prozent. Die Piraten hingegen wären mit fünf Prozent knapp im Landtag.
In dieser für die SPD prekären Situation bringen die Querelen um den Nürburgring die Regierung in Mainz zusätzlich in Bedrängnis. Wie jetzt bekannt wurde, vermutet die EU-Kommission verbotene Beihilfen in einer Höhe von über einer halben Milliarde Euro. Das Land habe Millionen in die Nürburgring GmbH investiert. Es habe seine Ansprüche hinter die Forderungen anderer Gläubiger zurückgestellt. Eine mögliche Forderung nach Rückzahlung hätte unter Umständen dramatische Folgen für den Etat des Landes.
Julia Klöckner meint: Träfen die Vorwürfe aus Brüssel zu, dann müsse der Ministerpräsident zurücktreten. Beck habe offensichtlich Millionen in die Nürburgring GmbH investiert, um eine Insolvenz der zu 90 Prozent landeseigenen Gesellschaft abzuwenden. »Wir sprechen hier von Landesmitteln in ungeahnten Dimensionen«, betonte Klöckner.
Die Vorgänge am Nürburgring mögen nicht der einzige Grund dafür sein, dass Kurt Beck entgegen seinen bisherigen Ankündigungen schon in diesem Jahr das Amt des Ministerpräsidenten sowie den SPD-Vorsitz in jüngere Hände legen könnte. Aber die Ring-Affäre hat wohl auch dazu geführt, dass die Nachfolgdediskussion eine Eigendynamik entwickelt hat. Beck hatte schon vor der Landtagswahl 2011 angekündigt, seine letzte Amtsperiode anzutreten. Allerdings hatte niemand damit gerechnet, dass bereits nach einem Jahr um seine Nachfolge gekämpft würde. Ob auch gesundheitliche Gründe dazu geführt haben, darüber schweigen sich Beck und die Staatskanzlei aus. Es gibt Hinweise, dass der Regierungschef vor der Sommerpause eine Entscheidung über seine Nachfolge bekanntgeben wird.
Bei den Anwärtern auf die Nachfolge Becks werden Innenminister Roger Lewentz (SPD) die größten Chancen eingeräumt. Neben ihm werden SPD-Fraktionschef Hendrik Hering und Bildungsministerin Doris Ahnen die stärksten Ambitionen auf das Amt nachgesagt. Ahnens Rückhalt in der Partei ist nicht so groß, als dass sie sich Chancen ausrechnen könnte. Auch eine Kabinettsumbildung wird nicht ausgeschlossen. Wofür diese gut sein sollte, wenn Beck vorzeitig geht, erschließt sich nicht. Es sei offensichtlich, dass dem Ministerpräsidenten »die Regierung aus den Händen gleitet«, meint der FDP-Landesvorsitzende Volker Wissing.
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