Ungesunde Suppe
Kommentar von Silvia Ottow
Dass psychische Krankheiten entstehen können, wenn der Mensch unter widrigen Umständen arbeitet, ist nicht neu. Aber neu und erschreckend ist, mit welchem Tempo sich die Anzahl der Menschen erhöht, die aufgrund solcher Erkrankungen ihre Arbeit ganz und gar aufgeben müssen. Hier stimmt doch etwas nicht!
In einer Zeit, in der die meisten Arbeitsprozesse technisch leichter zu bewältigen sind, haben Erwerbstätige immer öfter andere Probleme: Sie müssen Angst haben, ihren Job zu verlieren, weil sie nur befristet eingestellt wurden. Sie können nicht von einer Arbeit in Vollzeit leben, weil sie zu Dumpinglöhnen gezwungen sind. Sie müssen Tag und Nacht verfügbar sein und geraten immer öfter in eine Arbeitsatmosphäre der Rücksichtslosigkeit und Unkollegialität, die vor allem dort entsteht, wo jeder seine Stelle mit aller Gewalt verteidigen muss und der Nachbar vielleicht für die gleiche Arbeit nur die Hälfte des Entgelts bekommt oder aber das Doppelte ... Solche demütigenden Verhältnisse kann der Mensch auf die Dauer nicht ertragen, ohne Schaden zu nehmen.
Das Experiment der Politik, die ein Jobwunder zusammenrühren wollte, indem sie Zeitarbeit, Befristungen und Dumpinglöhne in einen Topf warf, ein wenig Hartz-IV-Sanktionsgeschmack und Arbeitskräfte-aus-Osteuropa-Pulver drüberstreute, hat nicht funktioniert. Es ist eine ungesunde Suppe geworden, die aber leider immer wieder aufgewärmt wird.
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