- Reise
- 10. nd-Lesergeschichten-Wettbewerb
In der Fremde ein Zuhause gefunden
Da standen wir nun, Andrea und ich, in der Mittagshitze eines andalusischen Frühsommers.
Die Fahrt von Malaga nach Granada im klimatisierten Bus, vorbei an endlosen Sonnenblumenfeldern und Olivenhainen, war sehr entspannend gewesen. Wir hatten diese, unsere erste Reise nach Andalusien, als Badeurlaub am Mittelmeer geplant. Aber nur Sonnen und Baden war uns zu langweilig. Urlaube mussten drei Komponenten erfüllen, um toll zu sein. Die drei »S«: Sonne - Shopping - Sightseeing.
Für Letzteres sollte die Geschichte von al-Andalus Möglichkeiten bieten. Die Hauptstadt Sevilla, die Mezquita in Cordoba, die Alhambra in Granada wurden als Höhepunkte jeder Andalusienreise in den Prospekten gepriesen.
Alles in einem Urlaub war uns zu viel. So beschlossen wir, drei Tage Urlaub vom Urlaub und einen Abstecher nach Granada zu machen. Die Übernachtungen buchten wir von zu Hause aus, per Internet, bei einem privaten Anbieter.
Und jetzt schwitzten wir am Treffpunkt, vor der Cafeteria »Lisboa«, und warteten auf den Vermieter. Einheimische und Touristen saßen vor dem Café und genossen Sonne und Erfrischungen. Uns war dagegen ein bisschen mulmig und das nicht nur wegen der Hitze. Schließlich wussten wir nicht, auf wen wir uns da eingelassen hatten. Was konnte nicht alles passieren? Waren wir Betrügern in die Hände gefallen? Die Hälfte der Apartmentkosten hatten wir von Deutschland aus überwiesen. Es wäre zwar ein Verlust, aber nicht das Schlimmste, wenn das Geld weg gewesen wäre. Immer wieder, schärfte ich meiner Tochter ein, dass wir sofort verschwinden, wenn uns etwas komisch vorkommt. Unauffällig beobachteten wir die Leute, die in unsere Richtung kamen. »Hoffentlich ist der nicht der, auf den wir warten, dann sind wir sofort weg«. Ausatmen, Glück gehabt, er spazierte vorbei. So ging das eine Weile. Nach zwanzig Minuten kam eine ältere, rundliche Spanierin auf uns zu, stellte sich als Sarah vor und nannte fragend unsere Namen. Uns fiel ein Stein vom Herzen, denn sie sah nicht nach Touristenfänger, sondern Vertrauen erweckend und sympathisch aus. Wir folgten ihr in Richtung Albaicin, dem ehemaligen maurischen Wohnviertel Granadas. Die Straßen wurden extrem eng, die Häuser waren relativ hoch und standen sich dicht gegenüber. Die Spanierin verschwand in einem Hausflur und führte uns in die erste Etage eines maurischen Wohnhauses.
Wir waren sprachlos. Die Wohnung war sehr schön eingerichtet und vor allem kühl. Von den 30 Grad draußen war nichts zu spüren. Dafür sorgten die dicken Außenwände, kleinen Fenster und Schatten der gegenüberliegenden Häuser. So musste es sich in früheren Zeiten gut gelebt haben und war auch heute noch ideal. Nach einer kurzen Absprache, mit etwas spanisch, englisch und Händen und Füßen, wo der Schlüssel bei unserer Abreise zu hinterlegen war, gehörte uns für drei Tage eine tolle Wohnung. Wir fühlten uns nicht nur in Spanien wohl, sondern auch in seiner Geschichte. Die richtige Einstimmung, um die historischen Sehenswürdigkeiten der Stadt zu genießen. Und so wurden es drei unvergessliche Tage mit der Erfahrung, dass sich das Einlassen auf etwas Ungewisses wirklich lohnen kann.
Übrigens haben wir uns in nachfolgenden Urlauben auch Sevilla und Cordoba mit der gleichen Begeisterung angesehen, allerdings nicht mit einem so tollen Quartier.
Ellen Liebich
06886 Wittenberg
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.