Erste EU-Bürgerinitiative könnte Flop werden
Umweltgruppen lancieren Volksbegehren gegen Atomkraft - die Zulassung ist aber noch fraglich
Im »sichersten Atomkraftwerk Europas« wird am 25. Mai ein Anti-Atom-Festival über die Bühne gehen. Das in ein Solarkraftwerk umfunktionierte niederösterreichische AKW Zwentendorf, dessen Inbetriebnahme die Österreicher 1979 in einem Referendum abgelehnt hatten, bildet die Bühne für die Auftaktveranstaltung zur ersten europäischen Bürgerinitiative, die von der Umweltorganisation »Global 2000« zusammen mit Ökogruppen in elf weiteren EU-Staaten lanciert wurde.
Hauptforderung ist die sofortige Stilllegung von 62 »Hochrisikoreaktoren«. Für die verbleibenden 71 Reaktoren in der EU sollen bis 2015 zumindest Ausstiegspläne vorgelegt werden. Außerdem sollen die AKW-Betreiber die tatsächlichen Kosten der »Atommülllagerung für 240 000 Jahre« und für Unfälle wie in Tschernobyl und Fukushima tragen. Die in vielen EU-Staaten geltende Steuerfreiheit für Kernbrennstoff soll aufgehoben werden. Darüber hinaus fordern die Initiatoren ein Verbot von stromfressenden Elektrogeräten und die Auszeichnung energieeffizienter Geräte.
Der Antrag für die Abhaltung des Volksbegehrens liegt bereits bei der EU-Kommission. Mit dem Vertrag von Lissabon haben die Bürger seit 1. April die Möglichkeit, sich direkt in den Gesetzgebungsprozess auf europäischer Ebene einzuschalten. Unterzeichnen binnen eines Jahres eine Million EU-Bürger aus mindestens sieben Mitgliedsstaaten die Forderungen einer Initiative, muss die EU-Kommission dafür ein Gesetzgebungsverfahren einleiten.
Doch die Premiere der europäischen Basisdemokratie droht ins Wasser zu fallen. Es werden wohl nicht einmal Unterschriften gesammelt. Denn die Bürgerinitiative muss erst einer Prüfung durch die EU-Kommission standhalten. Und die Brüsseler Behörde wird die Initiative kaum zulassen. Der stellvertretende Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Wien, Dirk Fassbender, weist darauf hin, »dass die Kommission europäische Bürgerinitiativen nur für die Bereiche akzeptieren kann, die ihre politische Zuständigkeit betreffen«. Tatsächlich gibt es einige Bedingungen. Die Bürgerinitiative darf »nicht offenkundig außerhalb des Rahmens (liegen), in dem die Kommission befugt ist, einen Vorschlag für einen Rechtsakt der Union vorzulegen«, heißt es in der Verordnung. Das ist die Hürde, an der die Anti-Atom-Initiative wohl scheitern wird.
Fassbender will die Entscheidung der Brüsseler Zentrale zwar nicht vorwegnehmen, er kann sich aber schwer vorstellen, dass die Initiative offiziell registriert wird. Denn die EU hat in Sachen Atomenergie keine Kompetenz. Wie ein Land seine Energie produziert, ist nationale Angelegenheit und kann daher kein Gegenstand eines EU-Volksbegehrens sein.
»Global 2000« sieht das Problem, glaubt es aber umschiffen zu können: Die Kommission werde nur aufgefordert, »Szenarien und Kriterien (zu) entwickeln, um alle gefährlichen Atomkraftwerke abzuschalten«. Dadurch sollen Prinzipien des Umweltschutzes, des Vorsorgeprinzips und der Grundrechte geschützt werden, die sehr wohl im Lissabonvertrag geregelt sind. Ob die Kommission ihre Zuständigkeit so breit auslegt, darf bezweifelt werden. Bis 1. Juni jedenfalls muss sie sich erklären.
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