Ehrgeizige Pläne für Dresdner Bauten

Der Kulturpalast und das Kraftwerk Mitte werden umgebaut / Der Stadtrat kratzt dafür 168 Millionen Euro zusammen

  • Sigurd Schulze
  • Lesedauer: 4 Min.
Noch in diesem Jahr sollen die Bauvorbereitungen für den Umbau des Kulturpalastes beginnen. Die Philharmoniker freut's, ihre Vorstellungen für ihre neue Arbeitsstätte wurden in die Planungen aufgenommen.

Der Befreiungsschlag gelang dem Dresdner Stadtrat bereits unmittelbar vor Ostern. Er fasste die Beschlüsse zum Umbau des Kulturpalastes und zum Ausbau des Heizkraftwerks Mitte zu Spielstätten der Staatsoperette und des Theaters der Jungen Generation. Nun laufen die Planungen auf Hochtouren, allen Widrigkeiten zum Trotz.

Beide Objekte sind große Brocken für den Dresdner Haushalt. Der Umbau des Kulturpalastes wird nach neuen Berechnungen mit 81,5 Millionen Euro veranschlagt, das Kraftwerk Mitte mit 87 Millionen. Die Ablehnung von Fördermitteln der Europäischen Union für den Kulturpalast in Höhe von 35 Millionen Euro brachte nicht nur den Umbau des Kulturpalasts ins Wanken, sondern gefährdete indirekt das Kraftwerk Mitte. Zwar hätte man für ein Objekt zulasten des anderen entscheiden können. Das jedoch wäre politisch sehr heikel.

Zum einen war der Umbau des Kulturpalastes ein Wahlversprechen der Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) im Jahre 2008, zum anderen stand sie im Wort, das Heizkraftwerk von 2013 bis 2016 für die beiden Theater auszubauen. Das wog um so schwerer, als sich die Belegschaft der Operette durch Lohnverzicht mit 12,2 Millionen Euro an den Baukosten beteiligen wird. Dem zu folgen ist nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern die Kulturstätten sind nach Meinung des Kulturbürgermeisters Ralf Lunau (parteilos) für die Dresdner so wichtig, dass man mit ihrem Wohl oder Wehe in Dresden Wahlen gewinnen oder verlieren kann. Klar ist auch: die Dresdner haben keine Zeit zu verlieren, denn - darauf wies der Finanzbürgermeister Hartmut Vorjohann (CDU) hin - mit dem Auslaufen des Solidarpakts II wird alles viel schwieriger: »Was wir in den nächsten zehn Jahren nicht gebaut kriegen, kriegen wir in Jahrzehnten nicht mehr hin.«

Orosz und ihren Beigeordneten blieb nur die Flucht nach vorn. Sie schlug vor, zur Kompensation der ausgefallenen 35 Millionen das Vermögen der Kreuzkirchenstiftung und der Sozialstiftung mit insgesamt 27,2 Millionen Euro für den Kulturpalast einzusetzen. Als städtische Stiftungen können sie nach Auffassung der Stadtverwaltung von der Stadt in Anspruch genommen werden. Weitere Quellen sind die Konzessionsabgabe Wasser, Beihilfen vom Freistaat sowie Umwidmungen im Haushalt. Der Kreuzchor ist ein Heiligtum der Dresdner. Der Kreuzkantor Roderich Kreile bestand auf die geplanten Mittel zur Erweiterung des Internats der Kruzianer. Das sagte Orosz bis zur 800-Jahrfeier des Chores im Jahre 2016 zu.

Im Dresdner Stadtrat standen schließlich beide Großprojekte zur Entscheidung. Es ging um satte 168 Millionen Euro - ein Viertel eines Jahresbudgets, das sich auf fünf bis sieben Jahre verteilt.

Am 4. April fand die entscheidende Sitzung des aus 70 Abgeordneten bestehenden Stadtrats statt. Beide Großprojekte standen zur Debatte. Während das Kraftwerk Mitte mit 61 Ja-Stimmen glatt durchlief, wurde der Kulturpalast mit 40 Ja- und 24 Nein-Stimmen angenommen. Für den Antrag stimmten CDU, Grüne und Bürgerfraktion, dagegen LINKE, SPD und FDP. Die beiden Vorhaben wurden beschlossen, ohne einem die Priorität einzuräumen.

Mit den Beschlüssen ist nun der Weg frei für drei Theater - die Staatsoperette Dresden, das Theater der Jungen Generation und das Kabarett »Die Herkuleskeule« -, für einen exzellenten Konzertsaal und für die Zentralbibliothek im Kulturpalast. Der Vorteil des Kulturpalastes ist sein Zeitvorsprung. Die Bauvorbereitungen beginnen noch in diesem Jahr. Das Problem wird die »auf Rand genähte« Finanzierung sein. Unwägbar ist noch die Verwendung des Stiftungskapitals. Die juristische Prüfung könnte eine zweckfremde Verwendung feststellen.

Eine zusätzliche Bestätigung fand die Entscheidung über den Kulturpalast durch den Beschluss des Landgerichts Leipzig vom Dienstag, die Klage des Architekten Wolfgang Hänsch gegen die Stadt Dresden abzuweisen. Die 5. Kammer befand, der bestehende Mehrzwecksaal sei nicht von so einmaliger architektonischer Qualität, dass er urheberrechtlich zu schützen sei. Der Mehrzwecksaal befinde sich im Gebäude in einer Kapsel, die völlig losgelöst vom übrigen Gebäude sei. Er könne durch einen Saal ersetzt werden, ohne dass der Gebäudekomplex als Denkmal davon beeinträchtigt werde.

Zur Debatte stand auch erneut der Vorschlag der LINKEN, den Mehrzwecksaal zu erhalten. Dazu hätte der Stadtrat ein Projekt völlig neu ausschreiben müssen, was eine Verschiebung von zwei bis drei Jahren und neue Unsicherheit der Finanzierung bedeutet hätte. Stände der Palast nach dem unwiderruflichen Ende der Betriebserlaubnis am 31. Dezember leer, könnte das den Ärger der Bevölkerung hervorrufen und zugleich Begehrlichkeiten der Immobilienhaie wecken, die im Zentrum der Stadt guten Baugrund verwerten könnten.

Ralf Lunau sieht nun Eile geboten für die Aufträge zur Bauvorbereitung und für die Einrichtung des Ausweichquartiers der Dresdner Philharmonie. Bis zur Neueröffnung des Palastes wird das ehemalige Kino Metropolis Arbeits- und Probenstätte des Orchesters sein. Das wird knapp, aber die Musiker sind in Hochstimmung, weil der neue Kulturpalast beste Arbeitsbedingungen und vor allem eine vorzügliche Akustik verspricht. Ihre Vorschläge zur Gestaltung ihrer Arbeitsumwelt wurden von den Architekten eins zu eins übernommen.

Offene Fragen bleiben. Zum Beispiel: Intendant Anselm Rose versprach der Presse »top Qualität bei fairen Preisen«. Aber was ist das? Auch Lunaus kulturpolitische Ziele sind ein breites Publikum und eine hohe Auslastung. Die Stadt sei gut beraten, bei fairen Preisen zu bleiben. Die Philharmonie habe eine Tradition als Bürgerorchester zu bewahren.

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