Beitragszwang für Freiberufler
Selbstständige kritisieren geplante Pflicht zur Altersvorsorge
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat die sich ausweitende Altersarmut als Problem erkannt. Mit äußerst umstrittenen Maßnahmen will sie dieser nun entgegenwirken. Da ist zum einen der Gesetzentwurf für eine steuerfinanzierte »Zuschussrente«. Mit ihr sollen die Altersbezüge von Niedriglöhnern, die lange gearbeitet haben, auf maximal 850 Euro aufgestockt werden. Scharfe Kritik an diesem Zuschuss kommt ausgerechnet von der Deutschen Rentenversicherung. Dort hält man das Modell für unwirksam. »Im Ergebnis greift das Instrument der Zuschussrente umso weniger, je größer das Risiko ist, im Alter arm zu werden«, heißt es bei der Versicherung. So würden die größten Risikogruppen wie Langzeitarbeitslose oder nicht versicherte Selbstständige aus dem System herausfallen.
Nun will die Ministerin zumindest für die mehr als vier Millionen Selbstständigen hierzulande eine Versicherungspflicht einführen. Viele von ihnen kommen eher schlecht als recht über die Runden. Nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeit mussten im vergangenen Jahr fast 120 000 Freiberufler ihre mageren Einkünfte mit Hartz-IV-Leistungen aufbessern. Rentenversicherungsträger schätzen, dass bis zu drei Millionen Selbstständige keine obligatorische Alterssicherung haben.
Von der Leyen will die Freiberufler per Gesetz zur Altersvorsorge zwingen. Dabei ist es der Ministerin egal, auf welche Weise sich die Freiberufler absichern. Private oder gesetzliche Rentenversicherung, Rürup-Rente oder Lebensversicherung: Alles wird akzeptiert. Wer allerdings nichts nachweisen kann, soll zwangsweise in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen. Das kann richtig teuer werden - etwa für Selbstständige unter 30 Jahre. Sie müssten im Monat zwischen 350 und 450 Euro für die Rentenversicherung und die Absicherung gegen Erwerbsminderung zahlen.
Die Betroffenen setzen sich nun dagegen zur Wehr. Eine Online-Petition an den Bundestag, die Ende März startete, wurde mittlerweile von mehr als 80 000 Bundesbürgern unterzeichnet. Angestoßen wurde das inzwischen beendete Petitionsverfahren vom IT-Unternehmer Tim Wessels. Der 27-Jährige kritisiert, dass eine solche Pflichtversicherung vor allem für junge Selbstständige »existenzbedrohend« wäre. Er argumentiert, dass der eigentliche Zweck dieser Regelung - die Bekämpfung von Altersarmut und die Entlastung der Sozialsysteme - mit der geplanten Regelung verfehlt werde. So gebe es Selbstständige, die »die 400 Euro nicht aufbringen können«. Zudem stecken Unternehmer wie Wessels ihr Geld lieber in Projekte anstatt in die Rentenvorsorge.
Doch wie könnte eine Rentenversicherung für Freiberufler aussehen? Der linke Unternehmerverband OWUS fordert eine Gleichbehandlung von Selbstständigen und Arbeitnehmern. Derzeit müsse ein Freiberufler 40 Prozent seines Einkommens für Sozialabgaben aufwenden, »wenn er annähernd die Rechte eines Arbeitnehmers haben möchte«, heißt es in einer Stellungnahme des Vereins. Zum Vergleich: Angestellte zahlen etwas mehr als 20 Prozent. OWUS will Sondervorschriften für Selbstständige streichen - also gleiche Beiträge und gleiche Rechte. Der Erhalt des Gewerbescheines soll zukünftig keinen Ausschluss aus der gesetzlichen Versicherung mehr zufolge haben. Zudem soll sich die Beitragshöhe nach dem aktuellen Einkommen richten. Der Gesetzentwurf von der Leyens sieht aber genau das Gegenteil vor: Nämlich einen Einheitssatz für alle - unabhängig vom Einkommen.
Ohnehin greifen die Regelungen nicht überall: Für die Boheme der Selbstständigen, also Ärzte, Apotheker oder Architekten, soll die Pflicht nicht gelten. Die Besserverdiener sind ohnehin über berufsständische Versorgungswerke abgesichert. So zahlenwohlhabende Freiberufler in ihr eigenes System ein. Richtig solidarisch ist das nicht.
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