Ausgeschlossen ist nichts
Das Personalkarussell bei der LINKEN kommt auf Touren
Im Saarland hat der LINKE-Landesvorsitzende Rolf Linsler SPD-Chef Heiko Maas eine Wette um eine gute Kiste Wein angeboten. Auch in fünf Jahren noch werde seine Partei in Landes- und Kommunalparlamenten »gut vertreten« sein, so Linsler. Schwer zu sagen, ob der als Sportsmann bekannte Maas darauf eingeht. Das Frohlocken in der SPD über ein vermeintlich bevorstehendes Ende der Linkspartei, zumindest in Sachen Westaufbau, ist jedenfalls seit dem Rückzug Oskar Lafontaines von der Kandidatur für die Linksparteispitze deutlich hörbar. Es findet seine Entsprechung in den Sorgen vieler Mitglieder der bespöttelten Partei.
»Die Tragweite dieser Entscheidung wird vielen Mitgliedern und mit dieser Partei Sympathisierenden erst nach und nach ins Bewusstsein träufeln«, schreibt in einer Erklärung der Landesvorsitzende in Niedersachsen, Manfred Sohn. Auch in der Diskussion von vier Bundestagsabgeordneten am Mittwochabend in der Veranstaltung dieser Zeitung »nd im Club« am Berliner Franz-Mehring-Platz wurden solche Sorgen deutlich. Lafontaines Rückzug und die Wahl von Dietmar Bartsch, Vizefraktionschef der LINKEN im Bundestag, werde in den westlichen Landesverbänden seiner Partei als »Signal für das Ende des Aufbruchs der neuen Partei« wahrgenommen, meinte Andrej Hunko aus Nordrhein-Westfalen.
Die oft gleichzeitig geäußerte Forderung an Dietmar Bartsch, seine Kandidatur nun gleichfalls zurückzuziehen - so weit gehen Hunko und seine Fraktionskollegen nicht, auch wenn sie wie Dorothee Menzner aus Niedersachsen Verständnis für ein derartiges Verlangen äußern. Eines ist sicher: Gerade die am Mittwoch auf den Plan getretene weibliche Doppelspitze von Katja Kipping und Katharina Schwabedissen bietet für viele einen Ausweg. Für Dorothee Menzner »ein spannender Ansatz«, den sie mit viel Wohlwollen sieht.
Doch Bartschs Anhänger sehen den mit Stirnrunzeln. Auf einer Regionalkonferenz des sächsischen Landesverbandes am Donnerstagabend sagte Landesvorsitzender Rico Gebhardt (nach Redemanuskript): »Wer jetzt also den Rückzug ... fordert, möchte dem Parteitag schon wieder vorschreiben, nicht mehr auswählen zu dürfen.« Und Gerry Woop, Mitglied im Parteivorstand, schreibt in einer Stellungnahme: »Tut mir leid, aber ich finde das doof ... Kandidaturen sind gut, aber ihr bietet ein gezieltes Paket an.«
Ist dies ein Problem? Die letzte Entscheidung trifft der Parteitag. Die Regularien der Wahl bedingen, dass die Entscheidung spätestens klar wird, wenn über den Frauenplatz entschieden ist. Dann folgt die Wahl des zweiten Vorsitzenden, der ebenfalls eine Frau sein kann. Nach einer Wahl Kippings gälte es also gegebenenfalls über die Alternative Schwabedissen oder Bartsch abzustimmen.
Doch allein in der Ankündigung Schwabedissens, auf keinen Fall eine Doppelspitze mit Bartsch bilden zu wollen, sehen einige die vom Frauenduo ausgerufene neue Kultur verletzt. Auch im linken Flügel finden Kipping und Schwabedissen keinen Beifall. Sie hätten »wenig Bezug zu den Erwartungen der lohnabhängigen Mehrheit der Menschen und unserer WählerInnen und stehen gegen ein gewerkschaftliches Profil der LINKEN«, verkündete die Sozialistische Linke. Der dritte Weg ist nun plötzlich nur noch zweiter Weg.
Raju Sharma, der auch für den neuen Vorstand kandidierende Schatzmeister und Vertreter des Reformerflügels, unterstützt im »nd«-Club Bartschs Entscheidung, bei seiner Kandidatur zu bleiben. Um die »Breite der Spektren« in der Partei abzubilden, könnte sogar eine alte Idee neu reifen. Der saarländische Geschäftsführer Thomas Lutze bringt ihn am Mittwoch auf den Punkt: »Wagenknecht und Bartsch wären die dafür am besten geeigneten Kandidaten.« Wagenknecht hat entsprechenden Wünschen bisher eine Absage erteilt. Doch Parteivize Heinz Bierbaum deutete am Donnerstag an, dass das letzte Wort womöglich noch nicht gesprochen ist. »Man muss mit ihr nochmal näher sprechen«, sagte er der »Mitteldeutschen Zeitung«. Bartsch hatte »nichts ausgeschlossen«. Ein paar Tage bleiben noch bis Göttingen.
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